Der wunderschön gelegene Palazzo war einst das Wohnatelier des Tessiner Bildhauers Vincenzo Vela (1820-1891). Dass ausgerechnet hier, im bereits vom Bildhauer selbst zum Museum umgebauten Eigenheim, Österrei-cher ausstellen, bietet aus historischer Sicht eine gewisse Reibefläche.
Bereits mit 14 Jahren ging Vela nach Mailand, um sich dort zum Bildhauer ausbilden zu lassen. Mailand war zu dieser Zeit Teil des österreichischen Kaiserreiches, und Vela beteiligte sich 1848 am ersten italienischen Volksaufstand gegen die österreichische Vorherrschaft in Norditalien - es war der Auftakt zum Risorgimento, der Wiedervereinigung Italiens nach insgesamt drei Unabhängigkeitskriegen,
Dieses Engagement bildet die Basis für Vincenzo Velas Ruf als leidenschaftlich revolutionärer Künstler. Das Bundesmuseum Museo Vela in Ligornetto, der Heimatstadt des Bildhauers, birgt eine schier überbordende Fülle an Statuen von Patrioten, Königen und Philosophen, die der Bildhauer für italienische und französische Städte schuf. Sein für die damalige Zeit außergewöhnliches soziales Engagement kommt in vielen Werken zum Ausdruck.
Schokoladeorden
Mitglieder der oberösterreichischen Künstlergruppe c/o:K setzen sich nun mit diesem Erbe auf unterschiedlichste Weise auseinander.
Ulrich Fohler und Holger Jagersberger halten Velas monumentalen Denkmälern eine raumgreifende, mehrteilige Installation entgegen. Unter anderem haben sie dafür Sockel aus den Depots des Museums geholt und zur Skulptur gestapelt.
Eine Auseinandersetzung mit Repräsentation sind Ursula Guttmanns Schokolade-Orden, die sie aus einer selbsthergestellten Mischung aus Schweizer und italienischer Schokolade nach Vorlagen von Orden des Risorgimento gegossen hat, eine ironische Arbeit: Die Schokoladeorden - in Vitrinen ausgestellt und beleuchtet - schmelzen während der Dauer der Ausstellung.
Peter Assmann - neben seiner Tätigkeit als Kulturmanager und Direktor des Privatmuseums Angerlehner in Wels auch Zeichner - bearbeitet u. a. Computerdrucke von Skulpturkörperteilen Velas: zarte, zurücknehmende Überschreibungen und Überzeichnungen, die sich neben den mächtigen Skulpturen wie ergänzende Fußnoten ausmachen. Andreas Strohhammer begegnet Vela unter anderem mit Massenware und Kitsch: lebensgroße deutsche Schäferhunde, in China gefertigt, die hinter Ecken lauern oder, getarnt als Skulpturen im öffentlichen Raum, im prächtigen Park irritieren.
Töchter der Erinnerung
Maria Meusburger-Schäfer zeigt in Ligornetto eine Installation aus neun Köpfen. Töchter der Erinnerung nennt sie die weiß gekalkten Terracotta-Köpfe, Töchter der Mnemosyne (Göttin der Erinnerung): keine repräsentativen Büsten, sondern schlafende Frauenköpfe, denen die Leiterin des Museums, Kunsthistorikerin und Kuratorin Gianna A. Mina, eine von Velas Frauenbüsten zur Seite stellt. Bella, Luise und Paula, die dreiteilige Arbeit Isa Steins ist, wie auch alle anderen künstlerischen Interventionen vor Ort entstanden: Sie hat ihre Haare in Farbe getaucht und hat damit unter Körpereinsatz die Leinwand bearbeitet.
Es gehe in diesem Projekt darum, einer "vereinten Individualität" eine Stimme zu verleihen, so die Mitglieder des Künstlerkollektivs c/o:K. Vela hätten sie für ihren künstlerischen Diskurs sehr bewusst ausgewählt, weil er sich als politisch und sozial engagierter Mensch stets auch mit den Themen Masse und Individuum beschäftigt habe: Fragen, denen sich letztlich jede Künstlergruppe stellen muss.
Körper und Macht, so der Titel des c/o:K-Gastspiels im Tessin, vereint die einzelnen künstlerischen Stimmen zu einer harmonischen Komposition. (Wiltrud Hackl, DER STANDARD, 8.11.2013)