Will Ferrell, nach eigener Aussage "overdressed" im Wiener Gartenbaukino.

Foto: A. Tuma

STANDARD: Die cinephile Viennale erweist Ihnen die Wertschätzung eines Tributes, europäische Kritiker besprechen Ihr Werk schon länger sehr ernsthaft. Fühlen Sie sich eigentlich missverstanden?

Ferrell: Sie meinen, daheim in den Staaten?

STANDARD: Nein, hier.

Ferrell: Nun, das eigentliche Ziel aller meiner Komödien, besonders jener, die ich mit Adam McKay gemacht habe, ist natürlich schon, lustig zu sein, einfach zu blödeln. Aber wir haben auch versucht, subversiv zu sein, und es passiert wirklich sehr selten, dass das zu Hause so verstanden wird. Seltsamerweise stürzt man sich in Europa auf genau das, noch mehr als auf die Komik. Das ist erfrischend und merkwürdig: Wir kriegen in den USA zu wenig Anerkennung und hier fast zu viel.

STANDARD: Adam McKay, mit dem Sie schon mehrere Filme machten, hat über Ihre gemeinsame Internetplattform "Funny or Die" gesagt, dass es durchaus darum geht, relevante Themen aufzugreifen.

Ferrell: Das hat sich in diese Richtung entwickelt. Die ursprüngliche Idee war, eine Art Comedy-Youtube zu machen. Wir hatten anfangs ambivalente Gefühle, da wir gesehen hatten, wie viele dieser Comedy-Seiten auftauchten und gleich wieder verschwanden. Das Gute am Internet ist aber: Wenn die Seite nicht funktioniert, verschwindet sie einfach wieder - und niemand erinnert sich daran. Wir waren erfolgreich, und daraus ergaben sich neue thematische Felder. Daran muss man die Leute immer wieder erinnern: Es ist toll, lustig, kauzig zu sein, exzentrische Sketche zu haben, aber man sollte auch versuchen, die Dinge beim Namen zu nennen.

STANDARD: Wie in Ihrer berühmten George-W.-Bush-Imitation?

Ferrell: Das ist zuerst bei Saturday Night Live entstanden, eine ganz unverdiente Geschichte. Man hatte die Wahl zwischen Al Gore und diesem Governor von Texas, der die Primaries fast nicht überlebt hatte. In der Show gab es einen Schauspieler namens Darrell Hammond, ein grandioser Imitator, er hat Clinton, Cheney, Rumsfeld gemacht - und er entschied sich für Gore. Mir haben sie Bush angeboten. Und dann wurde er Präsident! Ich dachte, ich mach das ein paar Monate. 2008 haben wir dann die Broadway-Show realisiert. Es war faszinierend, das in New York zu machen, weil das Publikum mir jede Nacht direkt antwortete, ja mich anschrie. Sie hatten so viele Fragen! Er hat ja nie zu uns gesprochen.

STANDARD: Sie haben ein Ventil für all den Frust geöffnet.

Ferrell: Ja, ich erst habe Bush eine Stimme gegeben!

STANDARD: In Ihren Filmen verkörpern Sie besonders gerne Angeber und Aufschneider. Wie kam es zu diesem komischen Standard?

Ferrell: Es ist eine Kombination von ein paar Dingen. Ich bin selbst nicht so, ehrlich. Ich war nie so eine "Schaut mich an"-Persönlichkeit. Was durchaus seltsam ist, weil die meisten Komiker etwas von diesen widerlichen Menschen an sich haben: Sie sind Klassenclowns, die um Aufmerksamkeit buhlen. Ich habe Komödie zwar schon als Student geliebt, war aber voll des Respekts. Diese angeberischen Typen sind ein Archetyp, dem man auch in Hollywood oft begegnet. Oder überhaupt in Amerika: Wir sind ein junges Land mit langer Erfolgskurve. Ein starker Teil unserer Identität ist es, bei jeder Olympiade "USA!" zu brüllen. Nun befinden wir uns jedoch an einem Punkt in unserer Geschichte, an dem wir diese Position zunehmend verlieren. Wir wissen nicht, wie wir damit umgehen sollen. Bleiben wir Supermacht? Verwandeln wir uns in ein gewöhnliches Land? Wir können keine Armee auf Kosten guter Schulen erhalten. Die Charaktere, die ich spiele, sind Teil dieser Entwicklung.

STANDARD: Ist die Regression manch anderer Ihrer Figuren dann die Kehrseite davon: Männer, die nicht erwachsen werden wollen?

Ferrell: Vielleicht, ja. Es ging immer nach dem Muster: "Schau her, ich bin Amerikaner!" Man kann das als Ausdruck von Stolz betrachten. Vielleicht ist es aber auch nur Unsicherheit. Ich schätze diese Gegenüberstellung.

STANDARD: Adam McKay haben Sie schon früh bei "Saturday Night Live" kennengelernt. Wie hat sich diese Zusammenarbeit über die Jahre verselbstständigt?

Ferrell: Wir haben uns nie selbst eingeschränkt, denke ich - es ist fast wie eine Klasse für kreatives Schreiben. Man entscheidet sich für bestimmte Szenen und schreibt sie randvoll. Lächerlich lang. Wir folgen einfach jedem Einfall. Wir haben keine Schreibregeln. Und dann müssen wir natürlich zurückkehren und ganz viel wieder herausstreichen. Manchmal arbeiten wir wirklich gegen uns selbst, weil uns so viel einfällt. Ich wünschte, die Leute hätten die Geduld, einen Dreistundenfilm anzuschauen. Anchorman 2 wird allerdings mit fast zwei Stunden unser längster Film bisher sein. (Start: 31. Jänner)

STANDARD: Wie war es denn, das alte News-Team wieder aufzustellen?

Ferrell: Wir haben wirklich dort weitermachen können, wo wir 2004 aufgehört haben. Ich habe die Figur Ron Burgundys da und dort im Lauf der Jahre gespielt, für die anderen war es aber ein wenig seltsam, zu diesen Figuren aus dem TV-Geschäft zurückzukehren. Alle sind über die Jahre noch besser geworden: nicht nur was die Darstellungsweise anbelangt, auch hinsichtlich Improvisationen. Wir haben uns wie die Marx-Brothers gefühlt - für arme Leute.

STANDARD: Judd Apatow hat einmal, gefragt nach seiner Methode, von "muscle memory" gesprochen - einer Art Körpererinnerung. Wie ist das bei Ihnen?

Ferrell: Es gibt diese falsche Auffassung von Improvisation: Man geht aufs Set, und es purzelt nur so aus einem heraus. Als hätten wir nichts davon aufgeschrieben. Heute eine Szene über das, morgen über das. Es ist alles achtmal umgeschrieben. Weil es so festgeschrieben wurde, kommen wir am Set noch auf andere Ideen. Es ist eher so: Man nimmt eine Axt und hackt auf das Material ein. Man zieht die Schichten ab. Vielleicht findet man irgendwann den Diamanten oder eben nicht. Dann muss man weiterhacken. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, 8.11.2013)