New York / Wien - 45,10 US-Dollar. Zu diesem Kurs ist der Kurzmitteilungsdienst Twitter am Donnerstag an der US-Börse Nyse gestartet. Der erste Kurs lag damit rund 75 Prozent über dem Ausgabepreis von 26 US-Dollar. Ausgegeben wurden 70 Millionen Aktien, die Mehrzuteilungsoption beträgt 10,5 Millionen Papiere. Die Nachfrage von Investoren war so hoch, dass die Anteilsscheine 30-fach überzeichnet waren, heißt es. Twitter hat damit einen erfolgreichen Börsenstart aufs Parkett gelegt und nimmt mit dem Börsengang bis zu 2,1 Mrd. Dollar ein.

Twitter ist in den USA der größte Börsengang seit Facebook - und war im Vorfeld hoch umstritten. Just am Tag vor der Erstnotiz hatte die US-Börsenaufsicht SEC noch vor Technologie-Titel gewarnt. Das Wachstum von so manchem Tech-Unternehmen sollte skeptisch betrachtet werden, sagte SEC-Chefin Mary Jo White. Investoren könnten einige Größenangaben der Unternehmen falsch interpretieren. Ein Konzern könne zwar korrekt auf etwa 100 Millionen Nutzer hinweisen, was aber, wenn nur ein kleiner Teil dieser Nutzer zahlende Kunden sind?

Pauschalwarnung

Experten schreiben dieser Warnung aktuell zwar keine allzu große Bedeutung zu. Monika Rosen-Philipp, Chefanalystin der UniCredit Private Banking, sieht darin eine "Pauschalwarnung für den US-Kleinanleger, weil die Geschichte zeigt, dass es bei Technologieaktien große Schwankungen gegeben hat". Es könne auch sein, dass die SEC nun sicherheitshalber etwas sage, damit die Behörde bei einem missglückten Börsengang oder einer Trendwende bei Tech-Titeln nicht sagen kann, sie hätte davor nicht gewarnt, heißt es von anderen Stellen.

Im Vorfeld des Twitter-Börsengangs wurde auch ein Déjà-vu Richtung Facebook ausgelöst. Bevor das soziale Netzwerk im Mai 2012 an die Börse ging, wurde das Preisband - ebenso wie bei Twitter - erhöht. Mit 38 Dollar ist Facebook dann am oberen Ende gestartet, hatte kurz abgehoben und drei Monate nach dem Börsengang waren die Papiere nur noch die Hälfte wert. Es hat mehr als ein Jahr gedauert, bis die Facebook-Aktien wieder über den Ausgabekurs gestiegen sind.

Twitter hatte sein Preisband nach einer ersten Erhöhung bei auf 23 bis 25 US-Dollar gesetzt. Ausgegeben wurden die Papiere dann zu 26 US-Dollar. Die Nachfrage hätte auch 27 US-Dollar erlaubt, sagen Insider. "Bis zum Äußersten wollte man offenbar aber nicht gehen", sagt Rosen-Philip. Somit haben sich die Investmentbanken einen Puffer offen gelassen, was Rosen als "Lehre aus Facebook" bezeichnet.

Nach dem Börsengang gilt es zu beobachten, wie sich die Aktie entwickelt. Ein Blick auf aktuelle Kurs-Gewinn-Verhältnisse (KGV; setzt den Kurs der Aktie in Relation zum Gewinn) zeigt: Der US-Index S&P500 hat aktuell ein KGV von 13, die Technologiebörse Nasdaq hingegen steht bei 23. Rosen-Philip: "Das zeigt, dass in den Tech-Titeln schon viel Fantasie steckt." Die Frage wird sein, wie sich diese gehypten Aktien verhalten, wenn die US-Notenbank Fed ihre ultralockere Geldpolitik - die ein Treiber der aktuellen Rally ist - zu straffen beginnt.

Gute Stimmung ausgenützt

Leopold Salcher, Technologie-Analyst bei Raiffeisen Capital Management, steht den Twitter-IPO ebenfalls skeptisch gegenüber. "Man nützt die gute Marktstimmung aus, um ein Unternehmen teuer an die Börse zu bringen". Twitter sei fernab jeder Profitabilität, zudem schwäche sich die Zuwachsrate der User ab. Das Kapitel mit den Risikohinweisen sei im Börsenprospekt zu dem um die Hälfte länger als damals bei Facebook, erklärt Salcher.

Als Risiko nennt der Tech-Experte, dass es bei Twitter wesentlich mehr Fake-Accounts gebe als bei Facebook. Während Facebook laut Salcher rund sieben Prozent inaktive User zählt, seien es bei Twitter 36 Prozent. "Twitter muss erst zeigen, dass es User erfolgreich halten kann und fähig ist, damit Geld zu verdienen". Der Großteil der User sitze zudem außerhalb der USA und generiere kaum Werbeertrag. Verteufeln will Salcher Tech-Aktien aber nicht. Anzeichen einer Überhitzung sieht er nicht. Höhenflüge würden sich auf wenige Titel beschränken. (Bettina Pfluger, DER STANDARD, 8.11.2013)