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Eine Abhöranlage der britischen Horchzentrale GCHQ in Bude an der Küste von Cornwall, wo transatlantische Glasfaserkabel aus dem Meer kommen.

Foto: REUTERS/Kieran Doherty

Keine Folter, keine millionenfache Datenschutzverletzung, "geheim bedeutet nicht böse" - vor dem Kontrollausschuss des Londoner Parlaments haben sich die Leiter der britischen Geheimdienste robust gegen den Vorwurf verteidigt, sie würden auf rechtswidrige Weise mit der NSA und anderen Behörden in den USA zusammenarbeiten. Der Inlandsdienst MI5, die Auslandsspionage MI6 sowie die Horchzentrale GCHQ hätten durch die Enthüllungen der Snowden-Dokumente Schaden genommen, teilte das Trio mit: "Unsere Arbeit ist viel, viel schwieriger geworden."

Gemeinsam sei man auf die Bekämpfung des islamistischen Terrors konzentriert. Seit dem Massenmord in der Londoner U-Bahn und einem Doppeldecker im Juli 2005 habe seine Behörde "34 geplante Anschläge vereitelt", teilte MI5-Chef Andrew Parker mit.

Der öffentliche Auftritt von Parker, John Sawers (MI6) sowie GCHQ-Boss Iain Lobban kommt dem Eingeständnis gleich, dass die Geheimdienste sich bisher zu wenig der Diskussion in der Öffentlichkeit gestellt haben. Immerhin war bis 1994 die Existenz von MI6 Staatsgeheimnis. Auch die Aufsicht ließ lang zu wünschen übrig. Bis heute werden die Mitglieder des Kontrollgremiums vom Premier handverlesen und vom Parlament nur abgesegnet. Als Vorsitzender fungiert Ex-Außen- und Verteidigungsminister Malcolm Rifkind, die Sitzungen blieben bisher hinter verschlossener Tür, und "harte Fragen werden dort nicht gestellt" , sagt Geheimdienstexperte Stephen Dorril (Uni Huddersfield).

Drohung gegen Medien

In der "Wiege der Demokratie", wie das Unterhaus von vielen Mitgliedern gern bezeichnet wird, herrschte zu den Enthüllungen des früheren NSA-Mitarbeiters Edward Snowden lange Schweigen. Premierminister David Cameron zieht sich ohnehin wie seine Vorgänger in Geheimdienstsachen gern auf die bewährte Formel zurück: "Kein Kommentar." Erst als Parker vergangenen Monat von einem "Gift für Terroristen" sprach, nahm auch der Regierungschef das Thema auf, lobte die Spione und rief den Guardian zu "sozialer Verantwortung" auf. Sollte das Blatt weiterhin Geheimakten veröffentlichen, drohte der Konservative mit "juristischen Anordnungen oder anderen härteren Maßnahmen".

Experten wie Professor Anthony Glees (Buckingham-Universität) wundern sich über die Rhetorik Camerons. Dieser habe Guardian-Chefredakteur Alan Rusbridger zur Zerstörung von Computern aufgefordert: "Anderswo wird dies als Zerstörung von Beweismaterial gerichtlich verfolgt."

Der Guardian druckt seit Juni wiederholt Artikel, die auf dem umfangreichen Material Snowdens beruhen. Zuletzt enthüllte das Blatt, dass die NSA seit Jahren das ungeschützte Handy der Bundeskanzlerin Angela Merkel und weiterer befreundeter Staats- und Regierungschefs abgehört hatte.

Da dem Gremium keine Geheimdienstkritiker wie Raab oder der Liberaldemokrat Julian Huppert angehören, kamen die Behördenleiter in der gestrigen Sitzung nie in Verlegenheit. Der zunächst nervös wirkende GCHQ-Boss Lobban ließ weitgehend seine medienerfahrenen Kollegen das Wort führen, verwahrte sich aber ausdrücklich gegen den Vorwurf der Spionage gegen unschuldige Bürger. "Wir operieren in einem riesigen Heuhaufen, auf der Suche nach Nadelfragmenten. Das umliegende Heu bleibt unberührt." (Sebastian Borger aus London, DER STANDARD, 8.11.2013)