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Der EZB-Rat hat überraschend den Leitzins auf 0,25 Prozent herabgesetzt.

Foto: Reuters/Lisi Niesner

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Grafik: APA

Berlin - Verbraucherschützer haben die Leitzinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) auf den historischen Tiefstand von 0,25 Prozent kritisiert. Der Generalsekretär des österreichischen Sparkassenverbands, Michael Ikrath, zeigt dazu Unverständnis: "Die kalte Enteignung der Sparer geht weiter. Die argumentierten Impulse für die Wirtschaft kommen an der falschen Stelle an", so Ikrath am Freitag in einer Aussendung.

Er sehe die Gefahr, dass Privatpersonen nunmehr vermehrt zu spekulativen Investments greifen, um zu schnellem Geld zu kommen. "Wir bauen schon wieder neue Blasen auf, die ein hohes Risiko in sich tragen und ähnliche Folgen wie die Krisen von 2008/10 nach sich ziehen können", warnt Ikrath. Insgesamt würden die Sparguthaben durch das Rekordtief bei den Zinsen "laufend entwertet" und Pensions- und Altersvorsorge "ad absurdum" geführt.

64 Mrd. Euro und somit fast ein Drittel der privaten Einlagen in Österreich bei den Banken - die sich auf 208 Mrd. Euro belaufen - liegen laut OeNB auf täglich fälligen Konten, weitere 47 Prozent auf Sparkonten bis zu zwei Jahren.

0,125 Prozent Zinsen

Für täglich fällige Spareinlagen erhielten Sparer schon vor der Leitzinssenkung im Schnitt nur 0,125 Prozent. "Die Sparzinsen werden nicht viel weiter nach unten gehen können, weil wir dann in den Bereich negativer Zinsen kämen, und das werden wir in Österreich nicht erleben. Aber es führt dazu, dass eine Trendwende für die Sparer zu einer besseren Verzinsung in noch weitere Ferne gerückt ist", sagte Ikrath im Ö1-"Mittagsjournal". Negativzinsen auf Spareinlagen schloss Ikrath aber aus, das hatte am Donnerstag schon eine Reihe von Großbanken getan. Eine negative Verzinsung würde bedeuten, dass Sparer etwas zahlen müssten, um Geld auf einem Sparbuch parken zu dürfen.

Altersvorsorge

Mit der Leitzinssenkung sinke auch die Hoffnung auf eine vernünftige Altersvorsorge, sagte der Vorstand des deutschen Bundes der Versicherten, Axel Kleinlein, dem Berliner "Tagesspiegel". Auf diese Weise würden diejenigen bestraft, die für das Alter etwas ansparen wollten. Kleinlein befürchtet dem Bericht zufolge, dass mit der Leitzinssenkung weitere Lebensversicherer aus dem aktiven Geschäft aussteigen werden. Das Geschäftsmodell der Branche werde damit "final auf den Prüfstand gestellt".

Experten und Analysten vermuten zudem, dass die EZB mit ihrer historischen Zinsentscheidung der Gefahr einer Deflation vorbeugen will. Die EZB-Spitze selbst hat das nicht so formuliert.

"Wenn wir jetzt eben sehen, dass diese Inflationsraten offensichtlich doch längerfristig deutlich unter diesem Ziel bleiben, dann hat man eben Maßnahmen gesetzt, die dieser Unterschreitung des Stabilitätsziels entgegenwirken sollen", sagte Donnerstagabend der österreichische Notenbankgouverneur und EZB-Rat Ewald Nowotny in der "ZiB 2".

"Preis zahlen die Sparer"

Für den Chefanalyst von Raiffeisen International (RBI), Peter Brezinschek, ist grundsätzlich klar, dass eine extreme Niedrigzinspolitik, die unter der Inflationsrate liegt, den stark verschuldeten Staaten, großen Unternehmen oder auch Privaten entgegenkommen soll. "Den Preis dafür zahlen die Sparer. Hier findet eine entsprechende Umverteilung statt. Das ist wie eine sehr effektive Vermögenssteuer", sagte der Experte am Freitag im Hörfunk-"Morgenjournal".

Damit werde für die Verschuldeten Zeit geschaffen, bis ihnen ein Konjunkturaufschwung die Schuldenrückzahlung erleichtert. Es sei aber durchaus zweifelhaft, ob die Zinssenkung zu einer Erleichterung auf der Kreditseite führe, so der Analyst. Niedrige Zinsen allein würden noch nichts bewirken, das zeige die Entwicklung in Japan, die durchaus als Warnsignal dienen könne. Brezinschek vermutet, das die EZB mit dem stark gestiegenen Euro unzufrieden war. Da habe eine deutliche Trendwende erzielt werden können.

Der EZB-Rat hatte am Donnerstag überraschend den Leitzins für die 17 Staaten der Währungsgemeinschaft auf 0,25 Prozent herabgesetzt. Die Währungshüter begründeten ihre Entscheidung mit der extrem niedrigen Inflation. Die Europäische Zentralbank (EZB) will mit niedrigen Zinsen der kriselnden Wirtschaft in der Eurozone neuen Schub geben.

Der Leitzins ist der Zinssatz, zu dem sich Geschäftsbanken bei der Zentralbank mit Geld versorgen können, um es etwa in Form von Krediten an Verbraucher und die Wirtschaft weiterzureichen. (APA, 8.11.2013)