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Am Internationalen SexarbeiterInnen-Tag demonstrierten AktivistInnen in San Francisco.

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Die Diskussion „Sexarbeit zwischen Verrechtlichung und Verbot“ fand im Rahmen der Veranstaltungsreihe femmes globales statt, in der frauenspezifische Themen mit internationalen Expertinnen diskutiert werden. Im Bild (v.l.n.r.): Eva van Rahden (Sophie), Natalie Plhak, Marie-Theres Prantner (BKA).

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"Das System der Prostitution degradiert Frauen zum käuflichen Geschlecht, brutalisiert das Begehren und verletzt die Menschenrechte". Als Alice Schwarzer vor kurzem ihren Appell gegen die Prostitution im Magazin "Emma" publizierte und kurz darauf der neu gegründete "Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen" mit einem Appell für Prostitution reagierte, flammte die Debatte erneut auf und zeitigte einen Diskurs, der in Bezug auf feministische Debatten kontroverser kaum sein könnte. Denn während GegnerInnen wie Schwarzer Sexarbeit mit moderner Sklaverei gleichsetzen und in ihr ein ursächliches Dilemma patriarchaler Strukturen orten, geben sich die BefürworterInnen pragmatisch: In ihren Augen handelt es sich um eine Dienstleistung, die wie jede Arbeit bezahlt und gesetzlich geschützt werden soll. So gegensätzlich diese gesellschaftlichen Positionen, so heterogen die diesbezüglichen Gesetze in den europäischen Ländern, die zwischen Legalität und Illegalität einen breiten Spielraum lassen.

Welche Auswirkungen diese differenten Regelungen vor allem auf die betroffenen Frauen haben, wurde bei der Veranstaltung "Sexarbeit zwischen Verrechtlichung und Verbot" am 5. November im ega:frauen im zentrum am Bespiel der "Extrem-Pole" Deutschland und Schweden erörtert. Am Podium diskutierten Eva van Rahden von "Sophie", Bildungsraum für Prostituierte, und Marie-Theres Prantner, stellvertretende Leiterin im BKA für Gewaltprävention und frauenspezifische Legistik, moderiert von Natalie Plhak, Expertin für sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte.

Feministischer Hintergrund gegensätzlich formuliert

Trotz der großen Unterschiede zwischen dem deutschen und dem schwedischen Prostitutionsgesetz  "haben beide einen feministischen Hintergrund", erklärte Eva van Rahden. "Während in Schweden Prostitution als Symbol der Ungleichstellung von Frau und Mann angesehen wird, definiert umgekehrt Deutschland die Sittenwidrigkeit der Prostitution als frauendiskriminierend". Hier wurden mit dem Prostitutionsgesetz aus dem Jahr 2002 sexuelle Dienstleistungen als Erwerbsarbeit legalisiert, wodurch Verträge zwischen Sexarbeiterinnen und ihren Kunden Rechtsgültigkeit erhielten. Durch die Möglichkeit einer sozial versicherten Beschäftigung sollten die Frauen sozial integriert werden.

In Schweden wiederum formuliert das Gesetz von 1999 eine Maßnahme gegen Gewalt an Frauen. Es sieht vor, dass nur die Freier - mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe von einem Jahr - sanktioniert werden, nicht jedoch die Frauen. Dennoch treibe das Gesetz die Prostituierten in die Illegalität, so van Rahden. Verschärfung finde dieser Umstand darin, dass auch das Vermieten oder zur Verfügung Stellen von Räumen zur Prostitution verboten wurde, und die Einnahmen der Sexarbeiterinnen zwar steuerpflichtig wurden, aber weiterhin als "unehrenhaft" gelten.

"Das Bild des ausgebeuteten Opfers entmachtet"

"Beide Gesetze dienen den Sexarbeiterinnen nicht wirklich", sind sich Eva van Rahden und Marie-Theres Prantner einig. Eine Evaluierung in Schweden 2010 habe die negativen Auswirkungen des Gesetzes auf die Sexarbeiterinnen belegt. "Prostitution ist zwar angeblich zurückgegangen, aber das Bild der Sexdienstleisterin als ausgebeutetes Opfer wirkt sich entmachtend aus. Frauen, die der Tätigkeit freiwillig nachgehen, fühlen sich nicht als Opfer", meinte van Rahden, die zugleich auf deren Gewinneinbußen zu sprechen kam. Dadurch, dass die Freier nun Angst hätten, auf der Straße von der Polizei erwischt zu werden, sei die Zeit zum Aushandeln eines "angepassten Preises" viel kürzer. Und da auch die Raumanmietung riskanter wurde, habe das Gesetz keinen positiven Einfluss auf die Arbeitsbedingungen. Im Vergleich dazu sei das deutsche Gesetz zwar "prinzipiell positiv", meinte Marie-Theres Prantner, verbesserte Arbeitsbedingungen konnten allerdings auch dort nicht erzielt werden: Arbeitsverträge seien nach wie vor sehr selten und von Auflagen und Pflichten für Bordellbetreiber sei keine Rede.

Seitenblick auf Österreich

Auch die Situation in Österreich sei trotz legalisierter Prostitution unbefriedigend. In den vergangenen Jahren habe es zwar wichtige Schritte zur Verrechtlichung gegeben. Doch aufgrund der gravierenden Unterschiede in den einzelnen Landesgesetzen sei die Verwirrung, wie die Gesetzeslage jetzt tatsächlich für sie aussieht, sowohl bei den Sexarbeiterinnen als auch ihren Kunden groß, so van Rahden. Während beispielsweise in Wien die Registrierung bei der Polizei und das wöchentliche Gesundheitszeugnis für eine Arbeitsbewilligung klar definiert sind, sieht es in Vorarlberg ganz anders aus. "Dort ist Prostitution nur in Bordellen gestattet, die es aber als öffentliche Einrichtung nicht gibt, wodurch die gesamte Sexarbeit illegal wird", so van Rahden. Dagegen habe die Steiermark die höchste Dichte an Bordellen und die Prostituierten dürften auch per Escort-Service zu den Freiern nach Hause bestellt werden.

Handlungsbedarf auch hierzulande

Handlungsbedarf bestehe daher auch in Österreich, nicht nur im Sinne der gesetzlichen Angleichung der Bundesländer. "Viele der Frauen kommen mit der Arbeit als Selbstständige nicht klar", weiß Eva van Rahden von ihren Erfahrungen bei "Sophie". Sie hätten Probleme mit der Sozialversicherung und dem fehlenden Anspruch auf Krankengeld. Die Möglichkeit,ein Angestelltenverhältnis einzugehen, wäre deshalb ein Fortschritt, "damit würden die Frauen ins System kommen und gestärkt werden". Van Rahden stellt sich allerdings gegen die Rede von einem "Beruf wie jeder andere", denn das würde ein Weisungsrecht für sexuelle Dienstleistungen beinhalten, wodurch der Arbeitgeber über Auswahl der Kunden und Art der Leistungen bestimmen könnte. Und das wäre wiederum zum Nachteil der Frauen.

Gesetzesanpassung in ganz Europa wünschenswert

Um endlich Licht in diesen Dschungel an widersprüchlichen Gesetzen zu bringen, wäre eine juridische Harmonisierung in ganz Europa wünschenswert, meinen die Expertinnen, wobei der Fokus auf Liberalität liegen sollte. Denn "das Verbot dient den Frauen nicht. Schweden ist zwar weit mit der Gleichstellung, aber in diesem Fall hat man einiges übersehen", sagte Prantner. "Die Abschaffung der Prostitution ist doch eine Illusion, es geht ja auch um die Existenzsicherung dieser Frauen". Dem konnte Eva van Rahden nur beipflichten. Vielmehr müsse überlegt werden, wie die Einkommensschere zu schließen, und auf welche Weise sonst noch Gleichstellung zu erreichen sei. "Vielleicht werden sich dann Frauen in Zukunft nicht mehr prostituieren". Für van Rahden steht kein Zweifel, dass "Prostitution Ausdruck patriarchaler Machtstrukturen ist". Dennoch müsse man die Frauen selbst entscheiden lassen, wenn sie dieser Tätigkeit nachgehen wollen. "Ungefragt über ihre Köpfe zu bestimmen und ein Verbot zu verhängen, das halte ich für zutiefst unfeministisch". (Dagmar Buchta, dieStandard.at, 10.11.2013)