Sinnliche Videospiele erfordern viel Technik.

Foto: Wicked Paradise

Die nächste Generation der Games lockt mit Grafikpracht und Vernetzung. Die kommenden Spiele für PC, PlayStation 4 und Xbox One bringen schönere Welten, spektakulärere Effekte und das in Welten, die Spieler enger denn je vernetzen. Blickt man allerdings auf die Inhalte, so bleibt trotz des technischen Fortschritts vieles beim Alten. Gewalt und Action bleiben zumindest bei den großen Blockbuster-Produktionen auch 2014 das vorrangige Thema. Liebe, Erotik und Drama verweilen im Hintergrund.

Lange Entwicklung

Das hat abseits gesellschaftlich getriebener Tabus auch einen handwerklichen Grund: Seit "Pong" (1972) und "Space Race" (1973) werden Sport- und Rennspiele vorangetrieben und seit der Erfindung des ersten 3D-Shooters "Doom" (1993) wurde die virtuelle Tötung perfektioniert und ist heute eines der bestentwickelten Spielkonzepte - von den Animationen über die Optimierung des Gameplays bis zu den pistolenähnlichen Controllern der Konsolen. Ihre heutige Popularität haben "Grand Theft Auto", "Call of Duty" und "Battlefield" daher auch einer langen und intensiven Genreentwicklung zu verdanken. Hingegen steckt etwa die Simulation von weniger actionreichen Interaktionen wie Erotik, Sex oder Konversationen mit Spielcharakteren noch in den Kinderschuhen.

Eine Frage der Technik

Das zeigen auch aktuelle mutigere Produktionen. Die gespielte Sinnlichkeit und Intellektualität animiert sogar in Hochglanzwerken wie "Beyond: Two Souls" nicht, weil uns die Technik fehlt. So schön die funkelnden Augen einer Jodie Holmes auch anzusehen sind, in ihre Rolle zu schlüpfen, ein Date wahrzunehmen und dem Partner näher zu kommen, fühlt sich nicht erzählerisch, aber mechanisch holprig an. Und reduziert man die Interaktion, stellt sich die Frage, ob man noch spielt oder einen Film ansieht. Andere Hersteller wiederum schaffen mit Puzzle- oder -Platfrormer-Elementen einen spielerischen Rahmen für Szenen, die technisch sonst schwer greifbar zu machen sind. Doch distanziert man sich damit letztendlich von der eigentlichen Handlung.  

Einen Schuss in "Call of Duty" abzugeben wiederum, macht Spaß, weil die Interaktion realistisch genug und die Reaktion unmittelbar zu spüren ist. Diese Unmittelbarkeit fehlt, wenn man eine Situation nur durch eine Entscheidung oder eine symbolhafte Tätigkeit, aber nicht direkt beeinflussen kann. Die Lösung dieses Problems stellt Spielhersteller vor große technische Herausforderungen. Wie kann man die Intensität einer Liebesszene oder eines Streitgesprächs mit den haptischen Einschränkungen eines Gamepads rüberbringen?

Lösungsansätze

Dafür braucht es Lösungsansätze außerhalb des konventionellen Spektrums. Im Juni berichtete der GameStandard über das überaus ambitionierte Unterfangen eines Teams an Branchenveteranen,  mit "Wicked Paradise" ein gutes Erotikspiel produzieren zu wollen. Um die Erfahrung "greifbar" zu machen, setzen die Entwickler auf die Virtual-Reality-Brille Oculus Rift. Die Barriere zwischen Spieler und Inhalt soll gesenkt werden. Aber wie kann man die emotionale Tragweite einer Nuance, einer Berührung mit bestehenden Spielsystemen reproduzieren? Die Vibrationsmotoren der Controller sind für nicht viel mehr als momentane Effekte gut.

Intelligenzquotient

Doch bevor Spieler jetzt in Ganzkörperanzüge mit Elektromotoren steigen, gilt es auch Probleme unter der Oberfläche zu lösen. Designer von Dialogsystemen in Videospielen können ein Lied davon singen. Über ein Auswahlrad und vorgeschriebene Antworten auf die Frage eines Charakters zu reagieren, ist weder natürlich noch wirklich befriedigend. Schließlich wird man in ein vorgefertigtes Muster gezwungen. Hier könnten einerseits, wie fallweise mit Hilfe von Natural-User-Interfaces wie Kinect und Siri bereits versucht, eines Tages Sprachsteuerungen die Interaktion natürlicher gestalten. Auf der anderen Seite allerdings befindet sich die größere Hürde zu schlaueren künstlichen Intelligenzen (KI). Drama findet im Kopf statt und dafür braucht es mehr als Akteure, die links und rechts ausweichen können. Kombiniert man Interface-Hürden und KI-Probleme, steht die Gamesindustrie auf der Suche nach mehr Intellektualität und Sinnlichkeit schlussendlich vor den mitunter größten Herausforderung der Computerwissenschaften. Die inhaltliche Revolution wird mehr Zeit, als die technische benötigen. (Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 9.11.2013)  

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