Der ORF war's. Schon am Wahlabend hatten SPÖ und ÖVP den Schuldigen an ihrem Stimmenschwund ausgemacht. Wie aus den Koalitionsverhandlungen zu vernehmen ist, wird dort das Thema weiter erörtert. Schließlich sollte das Rundfunkgesetz nach einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs repariert werden - was die Gelegenheit ist, wieder den guten alten Proporz herzustellen. Die geplante Verkleinerung der ORF-Gremien von 35 auf 15 Mitglieder soll dazu genutzt werden, den Einfluss von SPÖ und ÖVP abzusichern und die Opposition möglichst draußen zu halten.
Damit nicht genug: Dass ein alleiniger ORF-Chef "nicht mehr zeitgemäß" ist, tat der damals noch für Medienfragen zuständige ÖVP-Klubob- mann Karlheinz Kopf in einem Standard-Interview zwei Wochen vor der Wahl kund. Die ÖVP will einen der Ihren an der Seite des einst von der SPÖ nominierten Alexander Wrabetz. Als Kandidaten gelten ORF-Finanzdirektor Richard Grasl und Kurier-Chefredakteur Helmut Brandstätter.
Kritik an der Programmdirektion
Es trifft sich gut, dass auch die SPÖ wieder einmal nicht mehr gut auf Wrabetz und insbesondere seine Programmdirektorin Kathrin Zechner zu sprechen ist. Unmittelbar nach dem Urnengang hat der damals noch als Klubchef agierende Josef Cap "die Kommunikation" als Hauptproblem der Regierung genannt. Damit waren auch die TV-Duelle gemeint. Denn die übermäßige Präsenz der Opposition auf dem Bildschirm nutzte der politischen Konkurrenz, darin waren sich die Koalitionäre einig. Wie absurd das Argument ist, zeigt sich auch daran, dass sich nach allgemeiner Experteneinschätzung Frank Stronach bei den TV-Duellen selbst demontiert hat und die nicht eingeladenen Neos dennoch den Sprung in den Nationalrat geschafft haben.
Kanzler Werner Faymann und Vizekanzler Michael Spindelegger hatten selbst entschieden, trotz Einladung der Elefantenrunde am Donnerstag vor der Wahl fernzubleiben. Dass sie dem Druck, die Runde gleich abzusagen, nicht nachgegeben hat, wird nun der Programmdirektorin zum Vorwurf gemacht.
Ihr weiteres "Vergehen": nicht verhindert zu haben, dass ein kritischer Beitrag über den niederösterreichischen Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) in der Zeit im Bild ausgestrahlt worden ist.
Der Redakteursrat stärkt ihr in einer Erklärung den Rücken: "Zechner lässt die Journalistinnen und Journalisten unbeeinflusst arbeiten." Die ORF-Journalisten warnen vor dem Versuch, die Geschäftsführung in einen "roten" und "schwarzen" Chef aufzuteilen. "Das wäre ein Rückfall in den finstersten Parteienproporz der 60er-Jahre." Das Rundfunkvolksbegehren 1964 richtete sich genau dagegen.
Der ansonsten zur Vorsicht neigende Bundespräsident Heinz Fischer warnte am Donnerstag öffentlich davor, die Unabhängigkeit des ORF einzuschränken. Das ist eine Bestätigung, wie ernst es SPÖ und ÖVP ist, den ORF an die Kandare zu nehmen.
All jene, denen "ein wirklich unabhängiger ORF am Herzen liegt", würden vor allem "die Reihe an wichtigen Entscheidungen in den nächsten Wochen" mit Aufmerksamkeit verfolgen, sagte der Bundespräsident. Aus seinem Mund klingt das schon fast wie eine Drohung und ein Aufruf zum Widerstand. Es zeigt das Ausmaß der Besorgnis, dass der angekündigte neue Stil der Koalitionäre als alter Proporz im ORF wiederkehrt. (Alexandra Föderl-Schmid, DER STANDARD, 9./10.11.2013)