Loyal, zuverlässig, sicherheitsorientiert ist er, aber auch Sturheit und Starrsinn machen ihn aus, den Stier. Zumindest wenn er ein zwischen 21. April und 20. Mai geborener Mensch ist und man den Scharlatanen der Astrologenzunft glaubt.

Der Taurus, der nicht kastrierte und geschlechtsreife männliche Vertreter der Rinder, ist schwieriger zu beschreiben. Über eine Tonne kann er schwer werden, und dieses Gewicht setzt er mitunter durchaus ein.

Denn die in Mitteleuropa in der Landschaft herumstehenden Tiere verletzen immer wieder Menschen. Meist kündigen sie es zwar mit Drohgebärden an, sind sie in der Nähe einer paarungswilligen Kuh, können sie aber auch unvermittelt angreifen.

Was Weiden-Wanderern gefährlich werden kann, ist anderswo durchaus erwünscht. Und jetzt auch politisch geehrt worden. Die Rede ist von den Kampfstieren, die auf der Iberischen Halbinsel, in Südfrankreich und Teilen Lateinamerikas zur Freude oder zum Leid der Menschen in die Arena getrieben werden.

Mit den Stimmen des konservativen Partido Popular hat das spanische Parlament beschlossen, den Stierkampf zum immateriellen Kulturerbe zu erklären. 600.000 Bürger hatten eine Petition für die vierhundertjährige Tradition der Corrida unterschrieben, tausende Gegner taten ebenso ihren Unmut über die tödliche Tierquälerei kund.

Das Subjekt des Streits, eben der Kampfstier, unterscheidet sich von seinen zivilen Kollegen in einigen Punkten. Er ist bei seinem letzten Auftritt maximal eine halbe Tonne schwer, eine ausgeprägtere Aggressivität wird ihm idealerweise angezüchtet.

Kämpfen darf man mit ihm bis dahin aber auf keinen Fall. Denn die Tiere sind intelligent und merken sich das Ritual. Wenn sie es einmal durchgemacht haben, können sie im Ring zur tödlichen Gefahr für die menschlichen Beteiligten werden. Die Farbe Rot ist dem Tier übrigens völlig egal - er kann diese Farbe nämlich gar nicht wahrnehmen. Er reagiert nur auf die Bewegung der Muleta, des vom Matador geschwenkten Tuches.

Unbestreitbar ist, dass die Kampfstiere zum kulturellen Erbe der Menschheit beigetragen haben. Hätte Aficionado Ernest Hemingway in Fiesta oder Tod am Nachmittag über den Besuch von Hundeschauen berichtet, wären die Geschichten wohl atmosphärisch deutlich weniger dicht gewesen. (Michael Möseneder/DER STANDARD, 9.11.2013)