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Helige: mehr Offensive bei Menschenrechten.

Foto: APA/Fohringer

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Die Flüchtlinge aus dem Servitenkloster verlassen ihr temporäres Protestcamp in der Akademie der bildenden Künste: "Mangelnde Sensibilität" der Politik kritisiert die Liga für Menschenrechte.

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Die Koalitionsverhandlungen laufen, wichtige Weichen für die nächsten fünf Jahre werden gestellt. Die Menschenrechte hätten im neuen Regierungsprogramm mehr Raum verdient als zuletzt mit zwei allgemeinen Erwähnungen. Die Umsetzung hielt, was das Programm verhieß: Immer wieder - vor allem in Vorwahlzeiten - überwogen Populismus und vorauseilender Gehorsam gegenüber einer veröffentlichten Meinung anstelle von Führungsqualität in heiklen Fragen. Häufig trifft diese Haltung Angehörige von gesellschaftlichen Minderheiten, die an sich schon unter Diskriminierung leiden und ihrerseits kaum öffentlichen Druck erzeugen können. Nicht zuletzt deswegen werden sowohl in der Gesetzgebung wie auch im Vollzug bei Konflikten so häufig menschenrechtlich nicht ganz saubere Lösungen bevorzugt. Oft wird das absolut Notwendige gerade noch veranlasst. Besonders deutlich wird das häufig bei der Umsetzung von Erkenntnissen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, zuletzt bei der Stiefkindadoption in der gleichgeschlechtlichen Partnerschaft, bei der man sich - wieder einmal - nicht zu einer größeren Reform durchringen konnte.

Großer Wurf Ortstafellösung?

Das Grundmuster, nur das Notwendigste zu tun, wurde in der vergangenen Legislaturperiode auch bei einem völlig anderen grundrechtsrelevanten Thema erkennbar: Durch das Volksgruppengesetz 2011 ("Ortstafellösung") sollte die jahrzehntelang staatsvertragswidrige Diskriminierung der slowenischen Minderheit in Kärnten beseitigt werden. Leider fehlt auch hier der große Wurf: Man hat die Gelegenheit, ein modernes dynamisches Gesetz zur Förderung von Minderheiten zu schaffen, versäumt. Durch das statische Gesetz werden Änderungen in Sprache und Kultur eines Orts sowie eine wieder stärkere Hinwendung zu einer Volksgruppe im Gesetz in der Zukunft keinen Niederschlag mehr finden können. Allein das Ringen um Prozentzahlen (die Grenze für die Aufstellung von slowenischen Ortstafeln beträgt 17,5 Prozent ohne Öffnungsklausel) hinterlässt einen schalen Nachgeschmack. Anderen Volksgruppen wurde die Anerkennung, wohl endgültig, versagt. Wenn auch endlich staatsrechtlichen Verpflichtungen nach über 60 Jahren notdürftig nachgekommen wurde, hat die Politik gleichzeitig die Chance vergeben, ein deutliches Ja zur Minderheitenförderung zu sagen.

"Dichthalten" in Asylfragen

Die mangelnde Sensibilität der Verantwortlichen in menschenrechtlichen Fragen war wieder besonders schmerzlich im Bereich des Asyl- und Fremdenrechts spürbar. Die Katastrophe in Lampedusa konnte die österreichische Innenministerin nicht veranlassen, die Flüchtlingsthematik in der EU grundsätzlich neu zu diskutieren oder zumindest die Bemühungen für eine Änderung der Dublin-II- Verordnung mitzutragen.

Ganz im Gegenteil entsteht der Eindruck, die Regierung wolle den Österreichern beweisen, dass sie - im wahrsten Sinne des Wortes - "dichthält". Die Belastungen mögen andere tragen. Das Leid tragen Flüchtlinge, deren Tod im Mittelmeer man in Kauf nimmt. Wenn Nachbarländer Syriens angesichts des Bürgerkriegs Millionen Menschen aufnehmen (müssen), klingt es beinahe zynisch, wenn sich Österreich mit großer Geste bereiterklärt, 500 Flüchtlingen den Aufenthalt zu gestatten. Diese sollten allerdings Frauen, Kinder und dabei auch christlich sein. Die zum Ausdruck kommende Grundhaltung, die von der Überlegung auszugehen scheint, dass der Bevölkerung fremde Menschen prinzipiell nicht zumutbar sind, ist beschämend (und unterschätzt wohl auch die in diesem Land lebenden Menschen).

Wenig Flagge in menschenrechtlicher Grundhaltung zeigte auch die Justizministerin, als die Vergewaltigung eines Jugendlichen in einer Justizanstalt bekannt wurde. Wenn die Ministerin darauf hinwies, dass es sich im Jugendstrafvollzug immerhin um Täter handle, die schwere Straftaten begangen hätten, so klang das ganz danach, als hätte sie im ersten Reflex der - vermuteten - Volksmeinung das Wort geredet. Empathie für das Opfer war nicht zu erkennen.

Alle angeführten Beispiele haben gemeinsam, dass es die verantwortlichen Politiker kaum wagen, vor die Bevölkerung hinzutreten und offen für eine menschenrechtlich einwandfreie Lösung einzutreten. Es ist aber Aufgabe der Politik und Zeichen von Führungsqualität, allenfalls auch entgegen einer veröffentlichten Meinung auf Basis einer ethischen Grundhaltung konsequent für elementare Rechte einzutreten und den Strom der Zeit so zu prä- gen und nicht in ihm mitzuschwimmen.

Die in den vergangenen fünf Jahren politisch Verantwortlichen haben eine neue Form des Regierens angekündigt. Eine offensive Haltung zum Schutz der Menschenrechte würde da wohl anstehen. (Barbara Helige, DER STANDARD, 11.11.2013)