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"150 Tage ohne ein Wort. Rücktritt", steht auf dem Plakat dieses bulgarischen Studenten.

Foto: epa/VASSIL DONEV

Sofia/Istanbul – Es gibt keine Zugeständnisse, "gekämpft"  wird bis zum Ende. Das hat Deljan Rusew, einer der Führer der Uni-Besetzer in Sofia, vor ein paar Tagen schon ins Mikrofon eines Radiosenders gesagt. Die Studenten wollen im Gebäude der alten Kliment-Ohridski-Universität bleiben, und zwar bis zum Rücktritt von Regierung und Parlament.

Ein weiteres Wochenende der Straßenproteste in der bulgarischen Hauptstadt hat die Aktivisten nur in ihrem Willen bestärkt. Mit Ketten verriegelten sie am Montag den Zugang zum Rektorat und gaben die "Totalblockade"  der wichtigsten Universität im Land bekannt. An rund 20 weiteren Hochschulen in Bulgarien solidarisierten sich mittlerweile Studenten mit den Kommilitonen in der Hauptstadt.

150 Tage dauert nun der Protest gegen die Regierung des parteilosen, aber von den Sozialisten gestellten Finanzfachmanns Plamen Orescharski. Wie die Vorgängerregierung des Konservativen Boiko Borissow hat auch Orescharski keine Mehrheit und ist auf die Tolerierung durch die Rechtsextremen angewiesen. Dass die fremdenfeindliche, anti-europäische Ataka dieses Mal aber eine Koalition von Sozialisten und der Unternehmerpartei von mehrheitlich türkischstämmigen Bulgaren stützt, macht die Angelegenheit in den Augen der Öffentlichkeit nur absurder.

Kritische Verluste

Ataka und ihr erratischer Führer Wolen Siderow müssen für diese Unterstützung zahlen. In den Umfragen sind die Rechtsex-tremen auf unter zwei Prozent abgestürzt. Die Meinungsforscher zeigten in den vergangenen Wochen aber noch etwas anderes: Orescharski hat einen kritischen Teil der Bevölkerung nicht mehr hinter sich. Die Hälfte aller Bulgaren unter 55 wollen den Rücktritt seiner Regierung. Ihren Rückhalt haben die Sozialisten bei den Pensionisten, nicht bei den Jungen und den besser Ausgebildeten in den Städten. Die wollen eine Totalreform der Politik. Von der versuchten Bestellung des sehr umstrittenen Medienzaren und Abgeordneten Deljan Peewski zum Geheimdienstchef im Juni hat sich die Regierung Orescharski nicht mehr erholt.

Das Protestpotenzial bleibt hoch, stellte Gallup zuletzt in einer Untersuchung fest, auch wenn die Zahl der Demonstranten in Sofia nur zwischen einigen hundert und wenigen tausend schwankt. Eine neue politische Mehrheit ist jedoch nicht in Sicht. (Markus Bernath /DER STANDARD, 12.11.2013)