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Ein Arbeiter aus Äthiopien streitet mit einem Mitglied der saudischen Sicherheitskräfte vor seiner Abschiebung aus Manfuhah.

Foto: REUTERS/Faisal Al Nasser (

Wer dieser Tage in der saudischen Stadt Dschidda ein Taxi sucht, könnte Schwierigkeiten haben, sein Ziel zu erreichen. Tausende ausländische Taxifahrer haben ihre Arbeit aus Protest gegen das Vorgehen der Behörden gegen Arbeitsmigranten ohne Aufenthaltsgenehmigung niedergelegt. Viele haben das Königreich bereits verlassen, noch mehr sind vermutlich untergetaucht.

Es ist nur eine von zahlreichen Auswirkungen einer großangelegten Kampagne saudischer Behörden gegen Arbeitsmigranten im Land. In Mekka streikten bis zum Wochenende 6.000 Straßenreiniger aus Bangladesch, weil ihre Aufenthaltsgenehmigungen nicht erneuert wurden. Saudi-Arabiens Bauindustrie steht vor einer nie dagewesenen Krise: Baustellen stehen still, nachdem viele der aus dem Ausland stammenden Arbeiter aus Angst, festgenommen und abgeschoben zu werden, nicht mehr am Arbeitsplatz auftauchten. Wegen des plötzlichen Arbeitskräftemangels seit Anfang vergangener Woche schnalzten in manchen Branchen die Lohnkosten innerhalb weniger Tage um 30 Prozent in die Höhe.

Zigtausend Festnahmen

Dabei sind Saudi-Arabiens strenge Arbeitsgesetze, die nun exekutiert werden, nicht neu. Schon vor sieben Monaten versuchte man sie durchzusetzen, doch das Resultat war auch damals Chaos - der König schritt ein und gab den Behörden mehr Zeit zur Planung.

Diesmal gibt es für die sonst oft lasch agierenden und korruptionsanfälligen saudischen Behörden offenbar kein Zurück mehr. Die Razzien gegen Arbeitsmigranten ohne gültige Dokumente wurden in mehreren Ministerien und Behörden akribisch geplant. Vergangene Woche wurden laut der Zeitung "al-Sharq al-Awsat" mehr als 16.000 "illegale" Arbeiter in sieben Provinzen verhaftet. Mehr als 10.000 weitere mussten wegen "Verletzung der Aufenthalts- und Arbeitsgesetze" in Haft. Eine Durchsuchungswelle folgt der nächsten: Am Wochenende erst haben sich hunderte Einwanderer der Polizei ergeben. Männer, Frauen und Kinder bestiegen am Sonntag mit ihren Habseligkeiten Polizeibusse und wurden in ein Abschiebezentrum gebracht. Zuvor hatte die Polizei das Riader Armenviertel Manfuhah belagert, nachdem dort bei Krawallen von Einwanderern zwei Menschen getötet worden waren.

Aufgeheizte Stimmung: Einsatz der saudischen Sicherheitskräfte im Riader Stadtteil Manfuhah.

Restaurants geschlossen

Doch so gut die Razzien auch geplant waren, so wenig machte man sich offensichtlich über die ökonomischen Auswirkungen auf Saudi-Arabien Gedanken. Denn die Arbeitsplätze, die von den nun abgeschobenen oder geflüchteten Migranten besetzt waren, bleiben vakant. "Arab News" berichtet von geschlossenen Restaurants und Geschäften, weil keine Arbeitskräfte zu finden sind. Und die Krise könnte sich noch verschärfen. Laut der staatlichen saudischen Zeitung "Al-Riyadh" lebten und arbeiteten bis vor kurzem insgesamt 9 Millionen Ausländer in dem 28-Millionen-Einwohner-Land. Doch nur vier Millionen davon konnten die neuen strengen Standards für eine Aufenthaltsgenehmigung erreichen. Allein in den letzten Monaten sollen dem Bericht zufolge rund eine Million Ausländer das Land verlassen haben.

Die Idee hinter den neuen Gesetzen war es, arbeitslosen Saudis mehr Jobs zur Verfügung zu stellen. Wollen saudische Unternehmen lukrative staatliche Aufträge bekommen, muss ein festgesetzter Prozentsatz der Beschäftigten die saudische Staatsbürgerschaft besitzen (der Prozentsatz variiert je nach Branche). Doch alle Pläne zur "Saudifizierung" der Wirtschaft sind in der Vergangenheit kläglich gescheitert - auch am Widerstand zahlreicher Unternehmen, die von den billigen Arbeitskräften profitierten.

Krise für Herkunftsländer

Durch die Revolutionen in der arabischen Welt bekamen die Bemühungen allerdings wieder neuen Auftrieb: Die Staatsführung glaubt, wenn genügend junge Saudis Jobs haben, sei die Gefahr von Unmut, Unruhen und Revolutionen geringer. Fraglich ist jedoch, ob viele Saudis überhaupt in der Lage und willens sind, die meistens ohnehin nicht attraktiven Jobs anzunehmen. Saudi-Arabiens Bildungssystem ist nicht dafür bekannt, berufliche Fähigkeiten zu fördern. Gerade Schulen und Universitäten stehen unter besonderem Einfluss religiös-konservativer Kräfte im Land.

Die Razzien könnten aber nicht nur für Saudi-Arabiens Wirtschaft, sondern auch für die Herkunftsländer der Migranten zum Problem werden. Schätzungen zufolge arbeiten zum Beispiel rund 1,5 Millionen Jemeniten im wahhabitischen Königreich, zigtausende davon illegal. Sollten - wie die "Yemen Times" befürchtet - tatsächlich 150.000 jemenitische Arbeitsmigranten in ihr Heimatland abgeschoben werden, dürfte das als Armenhaus Arabiens bekannte Land noch tiefer in die Krise stürzen. (Stefan Binder, derStandard.at, 12.11.2013)