Wien/München/Klagenfurt - Wenn der Wahlkärntner Ex-Hypo-Chef Tilo Berlin am Dienstag - wie geplant - am Handelsgericht Wien einvernommen wird, hat Richterin Charlotte Schillhammer im 10 Mio. Euro-Zivilprozess der Bayerischen Landesbank (BayernLB) gegen die Hypo-Mitarbeiter Privatstiftung (MAPS) an bisher 30 Verhandlungstagen bereits 80 Personen als Zeugen einvernommen. Wenn es zu keinen Verzögerungen kommt, könnte das komplexe und umfangreiche Großverfahren etwa Mitte 2014 mit einem Urteil in erster Instanz abgeschlossen werden, heißt es aus dem Handelsgericht.

Weitere zehn Zeugen wird Schillhammer teils im Handelsgericht Wien, teils vor deutschen Amtsgerichten selbst vernehmen, und noch einmal zehn Zeugen sollen vor Rechtshilfegerichten in Deutschland und Großbritannien aussagen. Möglichst bald nach den letzten Einvernahmen kommt der Sachverständige Werner Festa zum Zuge. Er wird sein Gutachten erstatten, das dann auch noch mit den Parteien zu erörtern ist. Danach ist das Urteil zu verfassen.

Mit Tilo Berlin wird am Dienstag ein weiterer prominenter Zeuge einvernommen, der im Zusammenhang mit der Kärntner Hypo seit 2006 in vielen Rollen und Funktionen in Erscheinung getreten ist. Richterin Schillhammer hat sich dafür den Verhandlungssaal für den ganzen Tag reservieren lassen.

Tilo Berlin, der am laufenden Verfahren vertreten durch seinen Bruder und Rechtsanwalt Malte Berlin selbst als Nebenintervenient (Streithelfer) teilnimmt, trat Ende 2006 als Hamburger Vermögensverwalter und Vertreter einer Investorengruppe erstmals ins wirtschaftliche Rampenlicht der österreichischen Öffentlichkeit.

Ex-Finanzminister Grasser dabei

Tilo Berlin sorgte im Dezember 2006 mit dem Einstieg bei der Kärntner Hypo für eine veritable Überraschung. Berlin hatte bei "vermögenden Privatpersonen" aus Österreich und Deutschland 125 Mio. Euro aufgetrieben und kaufte sich mit rund 4,5 Prozent ein. Bei der Finanzierung über Genussscheine war - wie sich später laut Medienberichten herausstellte - auch Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser mit 500.000 Euro dabei, die er nach eigenen Angaben von seiner Schwiegermutter erhalten habe. Auch Ex-IV-Chef Veit Sorger hatte sich beteiligt. Im Frühjahr 2007 schob Tilo Berlin noch einmal 125 Mio. nach und kündigte an, die Sperrminorität erlangen zu wollen.

Am 26. April 2007 wurde schließlich überraschend bekannt gegeben, dass Tilo Berlin Kurzzeit-Chef Siegfried Grigg als Vorstandschef ablösen soll. Die Kärntner Bank bekam damals innerhalb eines knappen Jahres schon den dritten Chef..

Bis zum Sommer sollten noch einmal 380 bis 400 Mio. Euro investiert werden, um die Sperrminorität von 25 Prozent plus eine Aktie an der Hypo zu erlangen, hieß es am 2. Mai 2007. Bereits zwei Wochen später, am 17. Mai 2007, erklärte jedoch der damalige Landeshauptmann Jörg Haider, dass die BayernLB die Mehrheit an der Hypo übernehmen will und für 50 Prozent plus eine Aktie rund 1,5 Mrd. Euro biete. Tilo Berlin war zu diesem Zeitpunkt bereits designierter Hypo-Chef. Haider sprach sich dafür aus, dass Berlin auch unter den neuen Eigentumsverhältnissen Hypo-Vorstandsvorsitzender bleiben sollte. Am 22. Mai 2007 wurde der Verkauf in Klagenfurt vertraglich besiegelt. Vorstandschef der BayernLB war damals Werner Schmidt. Die damalige SPÖ-Landeshauptmann-Stellvertreterin Gaby Schaunig bezeichnete den Verkauf in einem offenen Brief unter anderem als "überfallsartig".

Mit 1. Juni 2007 übernahm Tilo Berlin den Vorstandsvorsitz bei der Hypo, den er bis 6. Juni 2009 ausübte. Von 11. September 2007 bis 27. August 2009 war er unter anderem auch Vorsitzender der nunmehr von der BayernLB beklagten Hypo-Mitarbeiter Privatstiftung (MAPS).

Im Zusammenhang mit den von der Hypo Leasing im Jahr 2006 ausgegebenen Vorzugsaktien, die auch im gegenständlichen Zivilprozess eine Rolle spielen, ist Tilo Berlin auch im Strafverfahren angeklagt. Insoferne dürfte er in der morgigen Einvernahme im Zivilprozess auch von seinem Entschlagungsrecht Gebrauch machen, um sich nicht selbst zu belasten.

Im Strafverfahren müssen sich neben Berlin die Ex-Hypo-Chefs Wolfgang Kulterer und Siegfried Grigg, dazu der ehemalige Hypo-Leasing-Vorstand Josef Kircher sowie die Flick-Stiftung als Aktienkäuferin ab 18. November am Landesgericht Klagenfurt verantworten. Die Manager sollen die Bank durch Rückkaufgarantien geschädigt haben, die Staatsanwaltschaft beziffert den Schaden mit mehreren Millionen Euro. Die Anklage lautet auf Untreue.

Anklage wegen Bilanzfälschung

Wesentlicher Punkt der Anklage: Käufern der Vorzugsaktien wurde in Nebenvereinbarungen garantiert, dass die Bank die Papiere zurückkaufe. Das bedeutete aber auch, dass die Einnahmen aus der Aktien-Begebung nicht als Eigenkapital in die Bilanz genommen hätten werden dürfen. Darauf wiederum basiert die Anklage gegen drei der vier Ex-Vorstände wegen Bilanzfälschung.

In einem ähnlichen Verfahren, bei dem es um Vorzugsaktien aus dem Jahr 2004 ging, waren Kulterer und sein damaliger Stellvertreter Günter Striedinger im Mai 2012 zu dreieinhalb bzw. vier Jahren Haft verurteilt worden.

Den Zivilprozess hat die BayernLB angestrengt, weil sie sich von der Mitarbeiterstiftung (MAPS) über die Kapitalausstattung der Hypo arglistig in die Irre geführt fühlt. Bei der Übernahme der Bank kauften die Bayern auch Hypo-Aktien von der Mitarbeiterstiftung: Am 22. Mai 2007 erwarben sie 14.989 Stück um knapp über 10 Mio. Euro und später am 17. Dezember 2007 weitere 160.327 Stück um rund 107,5 Mio. Euro. Beim ersten Kaufvertrag war Ex-Hypo-Chef Kulterer auch MAPS-Vorstandsvorsitzender, beim zweiten Kaufvertrag Ex-Hypo-Chef Berlin.

Die BayernLB wirft der Stiftung vor, diese Kaufverträge über die Hypo-Aktien im Wissen über "eigenkapitalschädliche" Nebenabreden mit Hypo-Vorzugsaktionären geschlossen zu haben. Dies weisen die MAPS und die Nebenintervenienten im Prozess entschieden zurück. Im Vorfeld des Einstiegs der BayernLB hatte die Hypo 2004 und 2006 in zwei Deals Vorzugsaktien an zahlreichen Investoren mit einem Nominale von insgesamt 200 Mio. Euro verkauft, um auf Konzernebene zusätzliches Eigenkapital zu generieren.

Durch die Nebenabreden hätte die 2009 notverstaatlichte Kärntner Hypo in ihrem Konzernabschluss für das Geschäftsjahr 2006 zumindest ein um 150 Mio. Euro zu hohes Kernkapital ausgewiesen, meinen die Bayern. Sie hätten die Kaufverträge nicht so geschlossen, wenn die Mitarbeiterstiftung wahrheitsgemäß informiert hätte, betont die Bank im Verfahren. (APA, 11.11.2013)