Wien - "Wir lassen uns nicht in eine Koalition mit der SPÖ hineinprügeln." Diese Worte waren am Montag mehrfach und von unterschiedlichen Seiten der ÖVP zu hören. Gefallen ist der Satz auch am vergangenen Freitag, als sich Parteichef Michael Spindelegger in einer vertraulichen Sitzung mit den schwarzen Landesparteichefs zu den Koalitionsverhandlungen beraten hat und sich die Linie absegnen ließ: keine Regierungsbildung um jeden Preis.
Aus ÖVP-Sicht stehe ein Abbruch der Verhandlungen mit der SPÖ im Raum. Kanzler Werner Faymann sei nicht bereit, das wahre Ausmaß des Finanzdesasters einzugestehen und wolle sich darüber hinwegturnen. Die ÖVP sei aber nicht mehr bereit, dabei mitzuspielen, der Öffentlichkeit Sand in die Augen zu streuen.
Den Einwand, dass die mutmaßlich falschen oder geschönten Budgetzahlen doch gerade auch aus der ÖVP kämen, wischt man generös zur Seite. Das sei jetzt irrelevant. Jetzt müsse man reinen Tisch machen und die notwendigen Maßnahmen in die Wege leiten. Sei die SPÖ dazu nicht bereit, müsse sie sich andere Partner suchen, halten maßgebliche ÖVP-Granden unmissverständlich fest.
Dass es gerade die schwarze Finanzministerin Maria Fekter war, die an der Erstellung des geschönten Budgetpfades beteiligt war, und dass gerade der schwarze Vizekanzler Michael Spindelegger diese Zahlen im Wahlkampf noch vehement vertreten und verteidigt hatte, sorgt in der ÖVP derzeit kaum für Irritation: Offenbar geht es darum, den alten und potenziell neuen Koalitionspartner unter Druck zu setzen. Die SPÖ habe kein Bewusstsein dafür, wie ernst die Lage wirklich ist. Das mache die Verhandlungen auch so schwierig.
Aus Sicht der ÖVP bewegt sich das Budgetloch derzeit in einer Dimension von 30 bis 40 Milliarden Euro bis zum Jahr 2018. Daher seien einschneidende Maßnahmen notwendig. Maßnahmen, deren Sinnhaftigkeit die SPÖ derzeit nicht einzusehen bereit sei. Also könnte es durchaus passieren, dass sich die ÖVP nicht mehr in der Lage sehe, die Verhandlungen mit der SPÖ fortzusetzen.
Zeitplan in Gefahr
Der Umgang mit dem Budget sei auch für den weiteren Zeitplan maßgeblich: Ein Einsehen der SPÖ vorausgesetzt, hält man in der ÖVP eine rasche Einigung und damit eine Regierungsbildung vor Weihnachten möglich. Bleibe die SPÖ allerdings bei ihrer unrealistischen Einschätzung der Lage, sei hingegen alles möglich: lange Verhandlungen oder deren Abbruch. Spindelegger könne sich jedenfalls auf den Rückhalt der Landeschefs verlassen. Noch diese Woche soll über die weiteren Schritte beraten werden.
In der SPÖ ist der Ärger über den Aufbau dieser Drohkulisse groß: Auch wenn Werner Faymann selbst auf eine Beruhigung der Situation setzt und die Stimmung nicht weiter anheizen möchte, ventilieren andere in der Partei, dass die ÖVP den Verhandlungsabbruch durchaus haben könne. Die falschen Zahlen, die die Regierung jetzt so in die Bredouille bringen, habe die ÖVP selbst zu verantworten. Daher sei es dem Land auch nicht zumutbar, dass das Finanzressort weiterhin von der ÖVP besetzt werde.
Wer künftig das Finanzministerium übernehmen soll, ist übrigens auch in der ÖVP nicht klar: Michael Spindelegger habe sich nach wie vor nicht festgelegt, ob er im Außenamt bleiben oder doch das strategisch so wichtige Finanzministerium selber übernehmen will. Er selbst sagt: zuerst das Budget, dann die Posten. (Michael Völker, DER STANDARD, 12.11.2013)