Die Bücherschränke in Wien- Alsergrund sind kaputt.

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Wien - Das Buch heißt Rund um die Erde. "Es ist ein Kinderbuch", betont die ältere Dame, die es gerade in den offenen Bücherschrank im Heinz-Heger-Park in Wien-Alsergrund gestellt hat. Gleich gegenüber liegt nämlich das St.-Anna-Kinderspital. "Hoffentlich wird das Buch nicht wieder nass", sagt sie mit Blick in den Regenwolkenhimmel. Die Sorge ist berechtigt, denn an den beiden schlanken Bücherschränken, wo jeder Bücher deponieren oder herausnehmen kann, fehlen seit Wochen die schützenden Türen aus Acrylglas. Und das wiederum ist nur das äußere Zeichen eines ungelösten Konfliktes zwischen einer engagierten Privatinitiative und der Wiener Bezirkspolitik.

Vor vier Jahren eröffnete Frank Gassner den ersten offenen Bücherschrank Wiens im siebenten Bezirk, dort wo Zieglergasse und Westbahnstraße einander kreuzen. Das Projekt des Künstlers und Assistenten von Hermann Nitsch kam gut an. Zwei weitere Standorte am Ottakringer Brunnenmarkt und eben am Alsergrund folgten. Auch hier funktioniert die rund um die Uhr geöffnete Tauschbibliothek im öffentlichen Raum sehr gut.

Keine öffentliche Förderung

Eines ist Gassner, der auch den zugehörigen Verein betreibt, besonders wichtig: "Wir haben nie öffentliche Förderung erhalten." Die Errichtung der massiven Schränke erfolgte mit privaten Mitteln.

Doch gerade im öffentlichen Raum gibt es bürokratische Hürden. Und die wurden zum ersten Mal in der Josefstadt zu hoch. Ausgerechnet die Bezirksgrünen konnten mit dem freigeistigen Ansinnen Gassners nicht mehr mit, ein vierter Bücherschrank dort scheiterte.

Mitten im Achten

Einen offenen Bücherschrank gibt es aber dennoch im achten Bezirk, gleich beim Café Hummel, umgesetzt von Bezirksvertretern. "Eine billige Kopie", meint Gassner. Seine Bücherschränke seien bis ins Detail geplant und umgesetzt, in Neubau hat sogar Hermann Nitsch bei der Gestaltung mitgemacht.

Nach dem achten gibt es nun auch im neunten Bezirk Zoff. Niemand will die Reparatur des Bücherschrankes, der wie auch der Platz dem von den Nazis verfolgten Autor des Buches "Die Männer mit dem Rosa Winkel", Heinz Heger, gewidmet ist, zahlen. Vergangenen Freitag lud die Bezirksvorstehung kurzfristig zum runden Tisch, Gassner kam aber nicht. "Er wollte die Gespräche aufzeichnen, das haben wir abgelehnt", erklärt der stellvertretende Bezirkschef Thomas Liebich (SPÖ).

Rettungsversuche

Man stehe weiter zu dem Projekt, so Liebich, aber irgendwie habe man das Gefühl, dass Gassner alle Zuständigkeiten abgeben wolle. Er habe den Bücherschrank auch schon dem Bezirk schenken wollen. "Aber das ist nicht so einfach, der Bezirk ist keine Rechtspersönlichkeit", so Liebich.

Beide Seiten versuchen nun, den Alsergrunder Bücherschrank zu retten. Die Politik mit weiteren Gesprächsangeboten; Gassner mit einem öffentlichen Aufruf zum Organisationstreffen beim Bücherschrank am kommenden Freitag um 15 Uhr. Er hofft auf fleißig Hände und edle Spender. (Michael Simoner, DER STANDARD, 12.11.2013)