Pornofreak trifft auf Romantic-Comedy-Aficionada: Scarlett Johansson und Joseph Gordon-Levitt in "Don Jon".

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Wien - Ein Leben in (allzu) geregelten Bahnen: Zwischen Krafttraining, Mädchenaufrissen, herzhaften Familien- und Kirchgängen und Pornokonsum im Internet - besonders häufig und begleitet von Masturbationen - bleibt Jon keine Zeit für die Auseinandersetzung mit anderen Menschen.

Don Jon ist das smarte, witzige Regiedebüt des US-Schauspielers Joseph Gordon-Levitt - so etwas wie eine gegen den Strich gekämmte Romantic Comedy. Anstatt sich auf Erzählkonventionen und Rollenmuster des Genres einzulassen, stellt der Neo-Filmemacher dessen Gender-Klischees aus. Er beweist dabei komisches Fingerspitzengefühl.

Zwei Frauen, Barbara (großartig derb: Scarlett Johansson) und die etwas gesetztere Esther (Julianne Moore), leiten bei Jon die Selbsterkenntnis ein. Von diesem Prozess vermag Gordon-Levitt, der auch die Hauptrolle in der Independent-Produktion übernahm, mit satirischem Blick und doch sehr einfühlsam zu erzählen.

STANDARD: "Don Jon" ist zwar Ihr Regiedebüt, aber Sie haben mit einer Reihe von berühmten Regisseuren zusammengearbeitet. Haben Sie einen bestimmten Ratschlag mitgekriegt?

Joseph Gordon-Levitt: Christopher Nolan, Steven Spielberg oder Rian Johnson sind zum Beispiel sehr verschieden, aber sie schaffen in ihrer Arbeit alle eine Art Balance. Jeder von ihnen hatte ein durchdachtes Konzept und vermochte dennoch spontan zu sein. Eine der zentralen Fragen für jeden Regisseur: Sollen wir nach Plan vorgehen, oder sollen wir etwas Neues ausprobieren? Keine der Antworten ist jedes Mal richtig. Die besten Regisseure, mit denen ich gearbeitet habe, wissen, wann sie das eine, wann sie das andere machen sollen. Steven war den Schauspielern gegenüber sehr aufmerksam: Wenn Daniel Day-Lewis etwas machte, was er nicht erwartet hatte, konnte er darauf reagieren und aufbauen. Ohne Umschweife ermöglichte er eine neue Einstellung. Faszinierend.

STANDARD: Sie hatten die schwierige Aufgabe, spontan mit sich selbst sein zu müssen.

Gordon-Levitt: Das stimmt! (lacht) Glücklicherweise spielte ich mit anderen Schauspielern, die so viel in ihre Rollen mitbrachten und mich zu überraschen vermochten.

STANDARD: Wie Scarlett Johansson, für die Sie den Part der Barbara geschrieben haben. Stimmt es, dass Sie ihr Godards "Die Verachtung" als Vorbereitung gezeigt haben?

Gordon-Levitt: Ja, ich liebe diesen Film und die Art, wie er den Zuseher mit seinen Bildern von Brigitte Bardot zuerst verführt. Dann schlägt er dir jedoch ins Gesicht, hält dir einen Spiegel vors Gesicht und macht dich darauf aufmerksam, mit welchem Blick du diese Person betrachtest, wie du sie zum Objekt machst. Das war ein Teil dessen, was ich auch machen wollte. Don Jon verführt auch das Publikum ein wenig mit klassischen schönen Bildern von Scarlett, um dann schlagartig die Richtung zu ändern.

STANDARD: Sie spielen den Titelpart eines Mannes, der sich nach männlichen Stereotypen ausrichtet. Hatten Sie dafür konkrete Vorbilder?

Gordon-Levitt: Für mich ist er gar nicht so sehr stereotypisiert, sondern ein ziemlich abgerundeter Mensch. Er fühlt sich nicht befriedigt und beginnt, kleine Schritte zu unternehmen, die von diesen Routinen fortführen. Ich glaube, wir haben alle ein bisschen von ihm in uns. Wir haben alle diese Tendenz zur Selbstsucht, Leute wie Dinge zu verwenden. Warum? Weil es einfacher ist. Es benötigt Anstrengung, Empathie zu zeigen und auf die Gefühle von anderen einzugehen - jemanden wirklich anzunehmen, um herauszufinden, was ihn als Individuum einzigartig macht.

STANDARD: Beide, Don Jon und Barbara, wirken zunächst wie Zerrbilder von Hollywood-Standards - da geht es längst nicht nur um Pornos, nicht wahr?

Gordon-Levitt: Ich wollte nicht nur Hollywood satirisch betrachten, sondern diverse mediale Formen, ob Filme, TV-Serien, Pornos, Werbungen etc. Ich glaube nicht, dass etwas mit diesen Dingen von Grund auf falsch ist; es liegt in unserer Verantwortung, sich bewusst zu machen, was wir da konsumieren. Sosehr ich auch Filme liebe, sie können nie das wirkliche Leben ersetzen. Ein Film ist eine 90-minütige Geschichte, die sich auf einem Rechteck abspielt. Er hat einfach viel weniger Details und Nuancen als das richtige Leben. Wir übersehen diese Detailfülle allerdings manchmal. Anstatt die Einzigartigkeit jedes Moments zu erkennen, vergleichen wir unsere Wahrnehmungen unaufhörlich mit dem, was uns zu begehren beigebracht wurde.

STANDARD: Als Schauspieler sind Sie ja selbst ein solches Objekt des Begehrens ...

Gordon-Levitt: Absolut, Schauspieler werden auf eine seltsame Weise aufs Podest gestellt. Zumindest ich finde das seltsam ... Aber es gilt nicht nur für Stars allein, jeder kennt dieses Gefühl, wenn man zum Objekt wird, in eine Schachtel gesteckt wird, mit Marke obendrauf. Man merkt das doch immer gleich, wenn man vorschnell kategorisiert wird.

STANDARD: Dieser Bewusstseinsprozess läuft bei Jon über die Begegnung mit einer reiferen Frau, die Julianne Moore spielt. Wie sind Sie an diese Figur herangegangen?

Gordon-Levitt: Sie sollte vor allem ein Mensch sein, auf den Jon normalerweise nicht kommen, den er nicht beachten würde. Als ich den Film schrieb, dachte ich auch an meinen Bruder, der vor ein paar Jahren gestorben ist. Das beschäftigt mich natürlich, es hat mich aufrichtig und achtsam für die Gegenwart gemacht. Juliannes Figur ist das Gegenteil von Jon und Barbara; aber diese Gegenüberstellung zwischen einer Frau, die ihr Herz auf der Zunge trägt, und einem Geck wie Jon gefiel mir. Ich wusste, es wäre nicht nur komisch, es könnte auch Tiefsinn haben. Sie brauchen sich ja in diesem Moment irgendwo beide.

STANDARD: Sie haben den Film selbst unabhängig produziert. Sind Sie optimistisch, dass man mit klein budgetierten Arbeiten auch Hollywood wieder einmal erreicht?

Gordon-Levitt: Wir haben den Film so produziert, damit wir die kreative Kontrolle behielten. Scarletts Zusage hat geholfen, das Geld aufzustellen. Die Medien ändern sich gerade gewaltig - aber ich denke, es ist ein positiver Wandel. Die nächste Phase von Filmen und Serien wird meiner Meinung nach wieder stärker auf die kreativen Prozesse und Künstler ausgerichtet sein und weniger auf die mächtigen Medienkonglomerate. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, 13.11.2013)