Wien - In den festgefahrenen Friedensgesprächen zwischen der türkischen Regierung und den Kurden sieht die kurdische Abgeordnete Gültan Kisanak "derzeit keine Hoffnung". Zwar sei es begrüßenswert, dass es regelmäßige Gespräche zwischen Regierungsvertretern und dem inhaftierten Gründer der kurdischen Untergrundarmee PKK, Abdullah Öcalan, gebe, sagt sie zum Standard, dennoch stehe man vor einer Blockade, die auch das jüngst von der Regierung beschlossene "Demokratiepaket", nicht lösen könne.

Dieses erlaubt unter anderem die Verwendung kurdischer Buchstaben und ermöglicht Kurdisch-Unterricht an Privatschulen. Die Regierung von Premier Tayyip Erdogan sieht es als großen Schritt und Gipfel eines jahrelangen Prozesses. Kisanak ist dagegen nicht zufrieden: "Das Paket ist keine Lösung für Demokratieprobleme der Türkei." Bei Grundrechten gebe es weiterhin viele Defizite - "und keines dieser Probleme wird dadurch gelöst".

Die Regierung sage, sie tue alles, um den Kurdenkonflikt zu lösen. Doch zugleich habe auch die PKK den Eindruck, sie habe alle Bedingungen erfüllt. Daher brauche es einen dritten Partner, der beobachte, was beide Seiten tun. "Unser Vorschlag wäre, dass ein anderer Staat diese Aufgabe übernimmt. Die Regierung will das aber keinesfalls."

Auch Sicht Kisanaks könnte etwa auch Wien dabei eine Rolle spielen: "Wir würden es begrüßen, wenn Österreich sich dieser Mission annähme." Das Land habe sich auf dem Balkan Erfahrungen mit Konfliktlösung erarbeitet. In den EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei hätte Österreich zudem die Möglichkeit, Druck auszuüben.

"Eine Sache, die wir auf keinen Fall akzeptieren können", sei indes der Bau einer Mauer an der syrisch-türkischen Grenze. Die Regierung, die selbst den Bau einer vollwertigen Mauer bestreitet und von der Verstärkung bestehender Zäune mit Stacheldraht spricht, versuche Familien voneinander zu trennen, sagt Kisanak. Das sei "eine Schande für Demokratie und Menschlichkeit". Zudem habe Ankara - trotz internationaler Verträge - Landminen an der Grenze zu den syrischen Kurdengebieten nicht entfernt, die deren Bewohner im Ernstfall an einer Flucht hindern würden. (Manuel Escher, DER STANDARD, 13.11.2013)