Wien/Lissabon - Die Flucht war gut geplant: Nach drei Jahren unter der Kuratel des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der übrigen Euroländer wollte die portugiesische Regierung das Land im Mai 2014 in die finanzpolitische Unabhängigkeit zurückführen. Das Staatsdefizit ist dank der Einsparungen zuletzt geschrumpft, und die Investoren sind inzwischen wieder bereit, Lissabon zu halbwegs erträglicheren Konditionen Geld zu borgen.

Doch beim Währungsfonds geht man davon aus, dass Portugal auch nach dem Frühjahr 2014 auf Finanzhilfe aus Europa angewiesen sein wird. Der Währungsfonds hat am Mittwoch einen lang erwarteten Bericht zu den Reformbemühungen Portugals veröffentlicht und malt nach den optimistischeren Darstellungen der vergangenen Monate nun wieder ein düsteres Bild von der Lage.

So entwickelt sich die Budgetsituation deutlich schlechter als gedacht. Noch im Juni gingen die IWF-Experten davon aus, dass Portugals Staatsschulden heuer auf 122,9 Prozent der Wirtschaftsleistung steigen werden- im neuesten Bericht ist von einem Anstieg der Verschuldung auf 128 Prozent die Rede. Für die negative Entwicklung sind mehrere Faktoren verantwortlich, darunter die langsamere Restrukturierung des Bankensektors (insbesondere die staatliche Caixa Geral de Depósito bereitet Probleme).

Die konservative Regierung unter Premier Pedro Passos Coelho kämpft zudem mit einer Reihe von Entscheidungen des Verfassungsgerichtes. So hat das Höchstgericht im April mehrere Sparmaßnahmen für Beamte und Pensionisten als unrechtmäßig aufgehoben. Das Defizit könnte laut IWF daher heuer höher ausfallen, als die von der Regierung angepeilten und mit den Gläubigern vereinbarten 5,5 Prozent.

Deshalb argumentiert der Währungsfonds, dass es hilfreich wäre, wenn Lissabon auch nach Mai 2014 auf die Unterstützung seiner Partner aus der Eurozone zurückgreifen könnte. Ob Portugal seinen Finanzbedarf im kommenden Jahr tatsächlich allein über die Märkte abdecken wird können, sei zumindest fraglich.

Hinzu kommt, dass die portugiesische Wirtschaft trotz einiger Erfolge der Exportindustrie nach 2011 und 2012 auch 2013 weiter schrumpfen wird. Die Arbeitslosigkeit ist zwar zuletzt etwas zurückgegangen, liegt aber jenseits der 16-Prozent-Marke und damit doppelt so hoch wie vor Beginn des Hilfsprogrammes 2011. Portugal ist das mit Abstand ärmste Euroland in Westeuropa.

Irland verlässt den Schirm

Portugal erhielt nach Griechenland und Irland als drittes Euroland im Mai 2011 einen Notkredit über 78 Milliarden Euro vom IWF und der Eurozone. Während ein Exit Griechenlands in weiter Ferne liegt, wird Irland den Rettungsschirm mit Ende des Jahres verlassen. Die Regierung von Premier Coelho hofft, 2014 folgen zu können. Als möglichen Mittelweg für Portugal gibt es noch die Möglichkeit eines Notprogramms auf Abruf, bei dem der Rettungsschirm einem Euroland Geld bereitstellt, Auszahlungen aber nur im Notfall getätigt werden. (szi, DER STANDARD, 14.11.2013)