"Es gibt kein Budgetloch", erklärte der Wiener Bürgermeister Michael Häupl der erstaunten Öffentlichkeit. "Es gibt von den Prognosen her eine Vorausschau, dass Einnahmen und Ausgaben auseinanderlaufen, und zwar erheblich auseinanderlaufen." Kanzler Werner Faymann kam zu einem ähnlichen Schluss: "Jeder, der sagt, es ist ein Loch im Budget, liegt falsch." Denn das Problem tue sich nicht jetzt auf, sondern erst in Zukunft. Wie auch immer man das nennt - Loch, Lücke oder Krater: Österreich hat ein Finanzproblem, der Sparbedarf liegt bei 18,44 Milliarden bis 2018 - die mit 5,8 Milliarden einkalkulierte Bankenhilfe ist noch nicht eingerechnet. Das für 2016 mantraartig angekündigte Nulldefizit geht sich wieder einmal nicht aus. Von den angekündigten Wahlzuckerln wie der höheren Familienbeihilfe und einer Steuerreform spricht niemand mehr.

Dass vor einer Wahl anders geredet wird als nachher, überrascht niemanden mehr. Erstaunlich ist jedoch, dass im Frühjahr veraltete Zahlen über die Verschlechterung der Wirtschaftsentwicklung und der Arbeitslosenzahlen hergenommen und aktuelle Daten ignoriert wurden. Milliarden, die zur Sanierung der Banken - insbesondere der Hypo Alpe Adria - erforderlich sind, wurden erst gar nicht eingeplant. Dafür wurde einnahmenseitig ab 2014 die halbe Milliarde Euro aus der Finanztransaktionssteuer einberechnet, deren Einführung auf europäischer Ebene noch nicht gesichert ist. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble hat auf diese Luftbuchungen verzichtet.

Da es diese Warnungen von den Fachleuten sogar schriftlich gab, ist nur ein Schluss möglich: Diese Koalition wollte die Bürger vor der Wahl bewusst täuschen und hat die Unwahrheit über Budgeterwartungen gesagt - oder das wahre Ausmaß verschwiegen. Diese Regierung muss sich deshalb den Vorwurf der Wählertäuschung und der Lüge gefallen lassen.

Noch viel empörender ist, dass die seit fünf Jahren amtierende Regierung erst einen Kassasturz machen muss, um sich einen Überblick über die Finanzlage zu verschaffen. Für Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) ist dieser "überraschend negativ" ausgefallen. Das allein wäre schon ein Grund für ein Misstrauensvotum. Noch im Juli hatte Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) behauptet: "Es wird keine zusätzlichen Belastungen geben." Staatssekretär Andreas Schieder (SPÖ) versicherte im September: "Wir haben immer vorsichtig budgetiert, wir werden kein Sparpaket brauchen."

Wer soll diesen Politikern noch etwas glauben, wenn sich nur wenige Tage nach dem Urnengang die Lage plötzlich völlig anders darstellt? Dass diese Politiker monatelang durch die Lande zogen und wider besseres Wissen um die Finanzlage Wahlversprechen verteilt haben, die sie gar nie einlösen wollten, ist Wählerbetrug.

Hinter vorgehaltener Hand wird - auch in der ÖVP - Finanzministerin Maria Fekter die Schuld in die Schuhe geschoben. Tagelang haben die Koalitionäre gebraucht, um sich auf eine Zahl für den Sparbedarf zu einigen. Es überrascht schon nicht mehr, dass sich die Regierung eine vergleichsweise günstige Prognose herausgepickt hat. Von Wirtschaftsexperten waren 40 Milliarden Euro als Szenario genannt worden. Ob die 18,44 Milliarden stimmen? Wer weiß das schon - diese Koalition hat schon ihre Glaubwürdigkeit verspielt, bevor sie offiziell mit dem Weiterarbeiten begonnen hat.  (Alexandra Föderl-Schmid, DER STANDARD, 14.11.2013)