Bild nicht mehr verfügbar.

"Der Geburtsvorgang bedeutet für das Kind quasi den plötzlichen Wechsel vom Mount Everest auf Höhe des Meeresspiegels", sagt Berndt Urlesberger von der MedUni Graz.

Foto: dpa/Barbora Prekopova

Neugeborene müssen sich in kürzester Zeit an die Verhältnisse außerhalb des Mutterleibs anpassen. Mithilfe der Nahinfrarot-Spektroskopie erforschen Grazer Neonatologen, wie sich die Sauerstoff-Verhältnisse im Gehirn unmittelbar nach der Geburt verändern. So will man abnorme Werte früher erkennen und mögliche Gehirnschädigungen vermeiden.

Atemunterstützung erforderlich

Monatelang gedeiht der Fetus bestens angepasst an die tiefen Sauerstoffkonzentrationen im Mutterleib. Der Sauerstoff gelangt von den Lungen der Mutter über den Blutstrom zur Gebärmutter. Von dort erreicht er über die Plazenta und die Nabelschnur das Kind. Während der ganzen Zeit entspricht der Sauerstoffpartialdruck im Blut etwa demjenigen eines Erwachsenen auf 8.000 Metern Seehöhe.

"Der Geburtsvorgang bedeutet für das Kind quasi den plötzlichen Wechsel vom Mount Everest auf Höhe des Meeresspiegels", schilderte Berndt Urlesberger, Leiter der Forschungseinheit für zerebrale Entwicklung und Oximetrie an der MedUni Graz. Daher benötigt das Neugeborene auch eine gewisse Zeit der Adaption, wobei auch eine Atemunterstützung mit Sauerstoff erforderlich sein kann. "Wir wissen heute, dass sowohl zu viel als auch zu wenig Sauerstoff schädliche Auswirkungen und somit Spätfolgen für das Gehirn haben kann", so Urlesberger.

Sauerstoffsättigung messen

Während die Pulsoxymetrie die arterielle Sauerstoffsättigung des Babys feststellt, kann die Nahinfrarot-Spektroskopie auch die Sauerstoffkonzentration des Blutes im Gehirn messen. Die nicht-invasive Methode verwendet kurzwelliges Infrarotlicht, das von verschieden Farbträgern im Blut unterschiedlich absorbiert wird. Aufgrund der jeweiligen Absorptionseigenschaften können die Konzentrationen von desoxygeniertem Hämoglobin (Hb) und oxygeniertem Hämoglobin (HbO2) gemessen werden.

Die Grazer Forscher haben erstmals im großen Umfang die Sauerstoffsättigung des Gehirns in den ersten Lebensminuten untersucht und Normalwerte von gesunden Neu- beziehungsweise Frühgeborenen ermittelt. Dabei zeigte sich zweierlei: Der Sättigungsgrad im Gehirns verläuft nicht parallel zur Sauerstoffsättigung des arteriellen Blutes, sondern das Gehirn wird unmittelbar nach der Geburt bevorzugt mit Sauerstoff versorgt.

Und: "Sobald eine Atemunterstützung bei Frühgeborenen notwendig wird, ist eine bevorzugte Sauerstoffversorgung des Gehirns nicht mehr sichtbar", sagte der pädiatrische Intensivmediziner Gerhard Pichler. Nun wollen die Grazer Forscher untersuchen, ob eine Anpassung der unterstützten Beatmung durch Sauerstoff an die regionale Sättigung des Gehirns Vorteile für das Neugeborene bringen könnte. (APA, derStandard.at, 14.11.2013)