Normalerweise kommt es in unserer leistungsorientierten Gesellschaft nicht so wahnsinnig gut an, wenn ein Kind mit einem Fünfer in der Mathematikschularbeit heimkommt. Wenn es sich beim "Nicht genügend" allerdings um einen sehr guten Fleck - die beste Freundin hat auch nur einen Zweier - handelt, kann man schon einmal Gnade vor Recht ergehen lassen.

Das Kind hat sich vor dem Nachhausekommen außerdem dank eines abgebrochenen Theaterkurses bei einer ständig wie ein manisch-depressiver Gummiball herumhüpfenden Schauspielerin ordentlich aufgerüstet. Ich glaube, wir haben das schon einmal an dieser Stelle im Zusammenhang mit einem derzeit noch nicht abgebrochenen Karatekurs und Notaufnahme erwähnt.

Jedenfalls schleppt es sich durch die verfallende, falbe und absterbende Landschaft der Wohnung wieder einmal wie auf der Suche nach einem Abgrund, in dem ganz tief unten der Nestroypreis wohnt. Es ist ja gut, Kind, hört man sich dann sagen, dein Vater hat in Mathematik auch nicht immer lauter Einser geschrieben. Man könnte fast das Gegenteil behaupten - obwohl er trotzdem immer fleißig und sehr gern gelernt hat! Familiengeschichtlich betrachtet sind jedenfalls die Erfindung des Taschenrechners (das war so eine Art App in einem Plastikgehäuse, mit dem man nicht telefonieren konnte) und die Möglichkeit, das Internet für Einkäufe bezahlen zu lassen, ein wahrer Segen gewesen. Genetische Defekte wie Kopfrechnen lassen sich so gut ausgleichen.

Noten und Durchkommen

Mein Gott, wie habe ich in der Schule die Mathematik gehasst. Und dann erst der Schock, als es auf der Uni geheißen hat, Theoretische Mathematik sei aber im Studienfach leider schon unumgängliche Pflicht. Ich habe jedenfalls nicht nur das Studium, sondern auch alles andere, was mit Vernunftbegabung und Rationalität zu tun hat, abgebrochen. Allerdings habe ich das nicht gern getan und trotzdem immer fleißig gelernt!

Man möchte das Kind trösten und ihm sagen, dass die Zahlen in der Oberstufe plötzlich total interessant und sympathisch werden und ohne Mathematik der heutige Kinderkanal WhatsApp gar nicht denkbar sei. Irgendwie aber würde man sich dabei verlogen vorkommen. Deshalb sagt man dem Kind, dass das Wichtigste in der Schule das Durchkommen sei und Noten zwar sehr wichtig - unser Stamm aber finde zur Not auch mit dem Durchkommen sein Auslangen. Dann sagt man dem Kind das eine schöne Rilke-Zitat mit dem Siegen und dem Überstehen. Und man ist stolz, dass man sich zumindest das nicht ganz so Wichtige aus der Schule eigentlich gut merken kann. Himmel, wenn das die Kindsmutter liest, bekommt sie einen Anfall. (Christian Schachinger, DER STANDARD, Family, 24.11.2013)