Moskau - Der seit fast vier Monaten laufende Prozess um die Ermordung der russischen Journalistin und Regierungskritikerin Anna Politkowskaja ist bis Jänner vertagt, weil das Gericht andere Geschworene berufen will. Am 14. Jänner solle eine neue Jury gebildet werden, teilte das Moskauer Stadtgericht am Donnerstag mit. Grund sei, dass mehrere der zwölf Geschworenen aus gesundheitlichen und beruflichen Gründen um ihre Entlassung gebeten hätten, sagte der Richter Pawel Meljochin.

Die Redaktion der regierungskritischen Zeitung "Nowaja Gaseta", für die Politkowskaja gearbeitet hatte, sprach von einer unerwarteten Wende. Das bedeute praktisch, dass das am 24. Juli begonnene Verfahren noch einmal von vorne starten müsse, hieß es. Schon im Sommer hatte das Gericht Probleme, Geschworene zu finden.

Der russischen Strafjustiz wird seit Jahren vorgeworfen, kein Interesse an der Aufklärung des politischen Mordes zu haben. Politkowskaja, eine scharfe Gegnerin von Präsident Wladimir Putin, war am 7. Oktober 2006 vor ihrer Moskauer Wohnung erschossen worden.

Vor dem Stadtgericht sind fünf Verdächtige in dem international beachteten Mordfall angeklagt. 2009 war in einem ersten Prozess ein Teil der Beschuldigten aus Mangel an Beweisen freigesprochen worden.

Widerspruch gegen eine Neubesetzung der Jury

Die Verteidigung der nun Angeklagten legte Widerspruch gegen eine Neubesetzung der Jury ein. "Das ist eine Schande. Das ist ein Versuch der Anklage, einen neuen Freispruch zu verhindern", sagte der Anwalt Murad Mussajew im Radiosender Echo Moskwy. Die Verdächtigen beteuern ihre Unschuld. Einen Auftraggeber hat die Anklage bisher nicht genannt.

Vor Gericht stehen erstmals der mutmaßliche Todesschütze Rustam Machmudow und sein Onkel, der Geschäftsmann Lom-Ali Gaitukajew, der das Verbrechen organisiert haben soll. Beide stammen aus dem früheren Kriegsgebiet Tschetschenien. Von dort hatte Politkowskaja über Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverstöße berichtet.

Verantworten müssen sich zudem ein früherer Polizist, der die Bande kontrolliert haben soll, sowie als Komplizen zwei Brüder des mutmaßlichen Schützen Machmudow. Diese Verdächtigen waren vor vier Jahren freigesprochen worden, weil ihnen eine Schuld auch nach Meinung von Menschenrechtlern und Nebenklage nicht nachzuweisen war. Das Oberste Gericht Russlands kippte letztlich den Freispruch und ordnete ein neues Verfahren an. (APA, 14.11.2013)