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KTM hat Buckelpisten absolviert. Heuer fährt der Motorradbauer mit 700 Mio. Euro Umsatz in ein Rekordjahr.

Foto: apa

STANDARD: KTM war 1991 so gut wie tot. Sie haben den Motorradbauer damals gekauft, saniert und ausgebaut. Würden Sie sich das heute noch trauen?

Pierer: Ich habe KTM aus einer Insolvenz heraus gekauft. Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind dafür heute nicht anders. In jungen Jahren geht man freilich mehr Risiko ein, macht fehlende Erfahrung durch Einsatz wett. Ich würde es aber wieder tun.

STANDARD: Viele Banken stehen auf der Bremse, Risikokapital ist knapp.

Pierer: Wir hatten auch damals keinen Kredit, es war 100 Prozent Eigenkapital. Wir haben alles bis dahin Erwirtschaftete auf eine Zahl gesetzt - von der Wahrscheinlichkeitsrechnung her unklug. Aber Riskantes haben Banken nie finanziert. Mit Risiko lässt sich freilich viel verdienen - so entstand die riesige weltweite Blase, an der wir alle noch leiden. Heute schlagen alle auf Banken ein, was nicht unrichtig ist. Aber wer das alles zugelassen hat, waren Politiker. Sie haben die Rahmenbedingungen so gestaltet, dass sich die Finanzindustrie aufführen konnte wie ungezogene Kinder im Hof, die die Scheiben kaputtschießen.

STANDARD: Seither wurde vieles reguliert. Reicht das aus?

Pierer: Mehr als das Zehnfache der realen Wirtschaft ist die virtuelle Finanzwirtschaft, die keine Wertschöpfung betreibt. Das ist reines Spekulieren - auf Nahrungsmittel und was weiß ich sonst noch. Das ist verwerflich. Anders als Europa reagierten die Amerikaner rasch. In der EU bewegt sich etwas, aber nur zögerlich. Es bleibt ein fragiles System. Was etwa mit der Hypo passiert ist, ist ja unglaublich.

STANDARD: KTM war bis 2009 stark fremdfinanziert. In der schweren Krise suchten Sie um eine Haftung des Landes an, was Ihnen viele Gegner einbrachte.

Pierer: Als Leitbetrieb mit 96 Prozent Exportquote bekamen wir eine Kredithaftung, wie Voest, Lenzing. Ich bin stolz, dass wir diesen Rückhalt erhielten.

STANDARD: Unternehmer fordern gerne liberale Märkte und weniger Staat. Wird es dann finanziell eng, rufen sie nach der öffentlichen Hand.

Pierer: Nein, das Land Oberösterreich hat gesehen, was auf Leitbetriebe zukommt und von vornherein ein Programm entwickelt. Uns ist nichts geschenkt worden, wir haben alles zurückgezahlt.

STANDARD: Was hat Sie die Krise gelehrt?

Pierer: Eigenkapital - so hoch wie nur möglich, das vergesse ich bis ans Ende meines Unternehmenslebens nicht. Seine Quoten haben sich verschoben: Brauchte man früher 30 Prozent, sind es heute 40, 50 Prozent. Und ich habe gelernt, was eine Hausbank ist. Es tut mir leid, wenn sie mit Großbanken über einen Kamm geschoren werden. Sie haben nie gezockt und werden jetzt mitbestraft.

STANDARD: Bahnt sich in Europa die nächste Finanzkrise an?

Pierer: Sie ist nicht gebannt, sie ist nur on hold: Durch die Notenbanken, die Geld Ende nie fluten. Es entstehen die nächsten Blasen - bei Immobilien etwa; sehen Sie sich nur im ersten Wiener Bezirk um. Auch die meisten Börsen sind überbewertet. Twitter, Facebook: Welcher normale Mensch würde da investieren? Wohl nur, weil Liquidität da ist, hinter der aber keine Wertschöpfung steht. Es geht derzeit wie auf einer mittelalterlichen Streckbank leicht nach unten. Die Billa-Sackerln sind nicht mehr so voll wie früher. Am Ende des Tages wird der Druck rausmüssen. Gute Unternehmen sind aber bankenunabhängiger geworden: Sie können eine bestimmte Zeit unter der Lawine aushalten.

STANDARD: Sie selbst investieren in Wohnimmobilien ...

Pierer: ... das ist überschaubar, nur um den Kirchturm herum.

STANDARD: Warum legen Sie Ihr Geld nicht in jungen Start-ups an?

Pierer: Tu ich auch. Ich lege 2014 einen Fonds auf, dotiert mit fünf bis zehn Millionen Euro. Ich war auf der Start-up-Messe und beeindruckt, was da los ist. Die klassische alte Industrie erfährt dramatische Digitalisierung, und in diesem Umfeld entsteht viel Neues.

STANDARD: Wie viel wollen Sie operativ mitreden?

Pierer: Wenn ich mich da zu sehr vordrängen würde, könnte ich es gleich selber machen.

STANDARD: Was können sich Junge denn von Ihnen abschauen?

Pierer: Sein Schicksal in die Hand zu nehmen, Vertrauen in sich zu haben. Es gibt eh schon so wenige Junge, und die wenigen haben keine optimale Ausbildung: Wir haben zu wenige Techniker, zu wenige Frauen in diesem Bereich. Zudem werden Leistungsträger in Europa bestraft: Arbeit ist zu hoch besteuert, Leistung fast negativ besetzt. Wozu soll man sich das antun?

STANDARD: Sagen Sie es mir.

Pierer: Sich am Sonntag auf den Montag zu freuen, ist eine einfache Messgröße. Arbeit wird oft als was Belastendes, Unangenehmes empfunden. Dabei ist sie mehr. Es geht um die Teilnahme an einer Gruppe, um viele wichtige Lebensparameter. Bereitet Arbeiten Freude, ist man leistungsfähiger.

STANDARD: Manche nennen Sie einen Vollblutunternehmer. Andere sehen Sie eher als Pleitegeier oder Heuschrecke. Ärgert sie das?

Pierer: Ich habe als Junger in Segmenten begonnen, in denen man günstig Firmen, denen es schlecht ging, die pleite waren, bekam. Das hat sich seither geändert, ich habe dabei aber das Restrukturierungshandwerk von der Pike auf gelernt. Heuschrecke? Nein, ich sehe anonymes Finanzkapital, das Firmen auspresst, kritisch. Ich gehe an die Front, übernehme soziale Verantwortung. Ich habe auch nie ein Hehl daraus gemacht, dass ich 300 Leute, die ich aufbaute, 2009 wieder abbauen musste. Das war mein schlimmstes Erlebnis.

STANDARD: Was wurde aus den Leuten?

Pierer: Viele wurden in der Region gebraucht, die Arbeitslosigkeit ist in Oberösterreich zum Glück gering. Einen Teil haben wir wieder eingestellt. Ich habe mittlerweile wieder mehr Mitarbeiter als 2008. (Verena Kainrath, DER STANDARD, 15.11.2013)