Eine verschimmelte Duschkabine in einem Asylwerberheim in Muthmannsdorf, Niederösterreich.

Foto: dossier.at

Schimmlige Wände, rettungslos verdreckte Duschen, grindige Kochplatten, deren Stromanschluss via Verlängerungskabel quer durch den Raum führt. Zimmer mit fünf oder gar sechs Betten darin, mit improvisierten Schlafgelegenheiten am Boden, weil die Matratzen, oder aber die Lattenroste schadhaft sind. Eine aus einem Teller grünen Salat und einem Teller gekochte Erdäpfel ohne alles bestehende Mahlzeit.

Das zeigen die ersten veröffentlichten von insgesamt 4247 Fotos, die die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der investigativ- und datenjournalistischen Internetplattform Dossier in niederösterreichischen, burgenländischen und Salzburger Asylwerberunterkünften geschossen haben. Die Aufnahmen haben dokumentierenden ebenso wie journalistischen Wert: Dossier arbeitete mit Unterstützung der privaten Fernsehstation Servus TV, also mit dem Ziel medialer Verbreitung; Donnerstagabend ab 22.15 Uhr wird die Dossier-Recherche samt Fernsehdoku auf Servus-TV das Thema sein.

Aber gleichzeitig bieten diese Fotos sowie die vielen in den 98 kontaktierten und 79 besuchten Quartieren zusammengetragenen Infos auch ein stringentes und ausführliches Bild der aktuellen Asylwerberunterbringungs-Situation. Und genau das führt zu einem wichtigen Punkt: Dass es der Initiative ­einer journalistischen Aufdeckerplattform und der logistischen Unterstützung sowie finanzieller Beiträge eines privaten Medienunternehmens brauchte, um sich hier einen Überblick zu verschaffen – zumindest in drei von neun Bundesländern. Also dass hier Private eine Aufgabe erfüllt haben, die eigentlich ein ureigenster behördlicher Auftrag wäre.

Ein Drittel schwere Beanstandungen

Warum, so fragt man sich, war es den für Asylwerberunterbringung zuständigen Landes-Flüchtlingsreferaten und dem Innenministerium bisher nicht möglich, festzustellen, dass in einem Drittel aller Quartiere schwere Missstände herrschen - wie Dossier nunmehr ermittelt hat? Weshalb fanden sich die staatlichen, also zuständigen Repräsentanten bisher mit einem Wissensstand ab, der aus einzelnen medialen Skandalberichten über besonders abstoßende Unterkünfte (Kärntner Saualm, Ex-Bordell im burgenländischen Sieggraben …) gespeist war?

Warum blieb das ganze Ausmaß des Problems so lange im Dunkeln ­ - aber auch die andere, positive Seite, nämlich dass zwei Drittel aller Quartiergeber gute bis sehr gute Arbeit leisten? Vielleicht, weil man es angesichts einer restriktiven Politik gegenüber Schutzsuchenden sowie der latent bis offen flüchtlingsfeindlichen Einstellung vieler Österreicherinnen und Österreicher gar nicht so genau wissen will? Oder, weil das Zurverfügungstellen von Flüchtlingsunterkünften in Österreich ohnehin schwer krisenanfällig ist und es daher schon als Erfolg zu werten ist, wenn es genug Wohnraum gibt – von dessen Qualität ganz zu schweigen?

Tatsächlich geht man in Innenministerium davon aus, kein Druckmittel in der Hand zu haben, um die Bundesländer, die sich per Grundversorgungsvereinbarung zu Asylwerber-Aufnahmequoten bereiterklärt haben, auch zu deren Einhaltung zu bewegen: ein Umstand, der vor genau einem Jahr zu einer wahrhaften Unterbringungskrise geführt hatte, als hunderte Flüchtlinge aus Erstaufnahmezentrum Traiskirchen gestrandet waren und aus manchen Ländern keine Quartierangebote kamen.

Selbstverpflichtung

Damals war bereits nach Kasernen gesucht worden, um die Schutzsuchenden aufzunehmen – und sogar Container- und Zeltlösungen wurden ventiliert: Alles, weil ­ - wie im Innenministerium betont wird – die Länder in Sachen Flüchtlingsquartieren keinen verbindlichen Zusagen, sondern lediglich einer Selbstverpflichtung unterlägen. Und weil sich dieses Selbstverpflichtungsprinzip bei der Qualitätskontrolle fortsetze: Jedes Bundesland sei allein dafür zuständig.

Das ist Kompetenzzersplitterung statt klarer Abmachungen. Ist eine Verweiskultur statt geteilter Verantwortung. Wen wundert es da, dass eine private, großteils unentgeltlich durchgeführte Recherche Neuland betritt*. Sodass besagter Sprecher des mächtigen Ministeriums schon "sehr gespannt auf die Detailergebnisse“ der Halbjahresrecherchen von Dossier ist. (Irene Brickner, derStandard.at, 14.11.2013)