Ich bin seit über 20 Jahren auf dem Gebiet der molekularen Pflanzenbiologie tätig. Es wundert mich, dass allzu häufig angetroffene Ängste vor genetisch veränderten Pflanzen nicht längst einem gelasseneren Umgang mit diesem Thema Platz gemacht haben. Statt jeder dieser Ängste auf den Grund zu gehen, möchte ich lieber erklären, warum ich diese Ängste nicht teile: Ich habe keine Angst davor, "Gen-Pflanzen" in Nahrungsmitteln vorzufinden, weil ich nicht befürchte, dadurch selbst verändert zu werden. Ich befürchte das ebensowenig, wie ich an die Möglichkeit glaube, zur Karotte zu werden, wenn ich Bio-Karotten verspeise, oder zum Schwein, wenn ich Schweinefleisch esse.

Zerlegte Gene

Alle Lebewesen, die andere Lebewesen als Nahrung verwenden, haben ein Verdauungssystem, und dieses zerlegt die Gene der verspeisten Organismen in ihre Einzelteile. So können diese Einzelteile zu Bausteinen für die eigenen Gene werden. Gen-Pflanzen, also Pflanzen mit einem zusätzlichen, dieser Pflanze ursprünglich fremden Gen, behandelt der Verdauungstrakt genauso.

Die Fremd-Gene bestehen aus denselben Bausteinen wie alle anderen Gene, sind also zu 100% biologisch abbaubar. (Für die Puristen unter den Lesern sei angefügt, dass der Verdauungstrakt der Säugetiere nicht ganz perfekt arbeitet. Ein ganz geringer Teil der mit der Nahrung aufgenommenen Gene wird möglicherweise nicht abgebaut, er wird dann ausgeschieden, und der endgültige Abbau obliegt den Mikroorganismen in der Kläranlage oder im Komposthaufen.)

Sind Gen-Pflanzen und ihre Verwendung mit Vorgängen des täglichen Lebens in irgendeiner Weise vergleichbar? Ich möchte hier das Fernsehen zum Vergleich heranziehen. Wenn man beurteilen will, was Fersehen leisten kann und welche Gefahren davon ausgehen, dann sollte man vor allem zwei Fragen stellen: Erstens, ist ein Fernsehgerät gefährlich ? Wenn ja, wird es in Zukunft bessere Geräte geben, die nicht so gefährlich sind? Zweitens, wie ist das Programm? Wie bestimmt man am besten, was gesendet werden darf und was nicht? Umgelegt auf unsere Gen-Pflanzen heißt das: Erstens, ist die Technik der Herstellung von Gen-Pflanzen gefährlich, geht von Gen-Pflanzen wegen des Herstellungsverfahrens eine besondere Gefahr aus? Wird es in Zukunft verbesserte Techniken der Herstellung geben?

Noch nie ein Unfall passiert

Die Antwort auf diesen Fragenkomplex ist: nein. Es ist noch nie ein Unfall passiert, bei dem eine involvierte Person aufgrund des Herstellungsverfahrens von Gen-Pflanzen Schaden davongetragen hätte. Und ja, die Techniken werden laufend verbessert. Die zweite Frage ist interessanter. Gentechnik ist auch (oder sogar vor allem) eine Informationstechnologie. Man nimmt ein bestimmtes Know-how einer Pflanze (oder eines Bakteriums) und transferiert es in eine andere Pflanze. Das soll in diesem Vergleich dem Fernsehprogramm entsprechen. Ein einfaches "Programm" einer Gen-Pflanze besteht beispielsweise darin, dass man sie resistent gegen ein bestimmtes Unkrautvernichtungsmittel macht, und dieses Mittel kann dann als Agrochemikalie verwenden werden, um die Pflanze vor der Konkurrenz durch Unkräuter zu schützen.

Etwas ausgeklügelter ist es, einer Pflanze zu "verraten", wie eine andere Pflanzenart oder ein Bakterium mit einem bestimmten Schädling auf natürliche Wiese fertig wird. Das ist sozusagen die Erweiterung der natürlichen Abwehrkräfte mit künstlichen Mitteln. Wie bei Fernsehsendungen wird man nicht umhin kommen, bei jeder neuen Gen-Pflanze die Frage zu stellen, welche Eigenschaften diese Pflanze hat und diese dann individuell beurteilen. Dennoch kann man sich, wie bei Fernsehsendungen, auf gewisse Beurteilungskriterien aus bestehenden Erfahrungen stützen. Der Blickwinkel Informationstechnologie sollte die Beurteilung der Möglichkeiten und Schwachpunkte von Gen-Pflanzen erleichtern und unangebrachte Ängste beseitigen helfen. (Leserkommentar, Andreas Bachmair, derStandard.at, 15.11.2013)