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Die Führung der Kommunistischen Partei Chinas hat zahlreiche Reformen beschlossen. Unter anderem sollen die Arbeitslager abgeschafft werden.

Foto: AP/Lan Hongguang

Peking - China hat sein unrechtmäßiges, weltweit als brutale Willkür kritisiertes System der sogenannten Umerziehung durch Arbeit endgültig abgeschafft. Die Absicht dazu war Anfang 2013 angekündigt worden, wurde aber immer wieder verwässert und aufgeschoben. Überraschend fiel der Beschluss nun beim am Dienstag zu Ende gegangenen ZK-Plenum zu umfassenden Wirtschaftsreformen, er wurde aber erst am Freitagabend (Ortszeit) bekanntgegeben.

In den vollständig veröffentlichten 20.000 Schriftzeichen umfassenden 60 Reformbeschlüssen in 15 Bereichen ist auch die Frage der Administrativhaft speziell und eindeutig angesprochen. In Paragraf 34 heißt es in einem Satz: "Das System der Arbeitshaft (Laojiao) wird abgeschafft." Der Beschluss zur Abschaffung ist in neue Oberbegriffe zur Stärkung der Menschenrechte eingebettet, die Chinas Kommunistische Partei erstmals in einem ihrer Dokumente verwendet. Es heißt nun bei ihr: "Wir  müssen das rechtliche Garantiesystem für Menschenrechte vervollständigen. Der Staat respektiert und garantiert die Menschenrechte. Er soll Justizverfahren auch gegenüber Eigentumsrechten weiter in geregelte Bahnen bringen." 

Reform auch bei Todesstrafe

Ausdrücklich heißt es weiter: "Der Staat soll allmählich die Bandbreite der Delikte, die mit Todesstrafe geahndet werden, verringern." Ebenfalls verspricht das Dokument mehr Schutz und Rechte für die Anwälte. Der chinesische, immer wieder drangsalierte Menschenrechtsanwalt Pu Zhiqiang, einer der mutigen Vorkämpfer gegen die Administrativhaft, schrieb sofort in seinem Blog: "Ich danke der Regierung dafür. Aber der Weg, den wir gehen müssen, ist noch lang."

Seit 1957 gibt es das von der Polizei praktizierte Lagerhaftsystem. Die Behörden konnten bisher, ohne die Justiz auch nur zu fragen, sogenannte Unruhestifter oder Störenfriede der öffentlichen Ordnung dank eigener Machtbefugnis bis zu vier Jahre lang in Haftanstalten einsperren. Die Administrativhaft wurde zu einem der schlimmsten Beispiele für das in China praktizierte Willkür- und Polizeisystem. Von 1957 bis zum Jahr 2000, so zitiert der Pekinger Anwalt Wei Rujiu auf seiner Webseite aus Justizstatistiken, wurden mehr als fünf Millionen Menschen in Sonderhaft eingesperrt. Im Jahr 2008 gab es noch 350 solcher Haftlager, in denen 160.000 Menschen inhaftiert waren. Aktuelle neuere Statistiken wurden bisher nicht veröffentlicht.

Peking reagiert auf Enttäuschung

Das 34 Seiten lange Dokument sollte eigentlich erst am kommenden Dienstag veröffentlicht werden. Peking zog die Herausgabe vor, nachdem eine nur 5.000 Schriftzeichen lange, am Dienstagabend erschienene Kurzfassung Enttäuschung auslöste. Chinas Börsen fielen am Mittwoch. Im In- und Ausland warfen Kritiker der neuen KP-Führung vor, hinter allen Erwartungen zurückgeblieben zu sein. Die Partei, die umfassende Reformen versprochen hatte, ging zur ihrer Rechtfertigung nun in die Offensive. Online gab es allerdings Kritik, dass sich in den großen Fragen der politischen Reformen die Positionen der Partei nicht geändert hätten. Dennoch äußerten sich vormalige Skeptiker über viele Einzelpunkte positiv überrascht.

Im vollständigen Dokument wird auch in Paragraf 46 bestätigt, dass die bisherige Ein-Kind-Familienpolitik aufgelockert wird. Chinesische Familien durften bisher nur dann zwei Kinder bekommen, wenn beide Elternteile selbst Einzelkinder sind. Jetzt reicht es aus, wenn ein Elternteil selbst aus einer Einzelfamilie kommt. (Johnny Erling, derStandard.at, 15.11.2013)