"Tschüss, Schottermitzi, endlich!, eine guuuteee Nachricht!" In den österreichischen Leserforen brodelt seit gestern Nachmittag die offene, manchmal ironische, oft hasserfüllte Freude über den von Maria Fekter in Brüssel selbst unmissverständlich angekündigten Abgang als Finanzministerin. Nicht freiwillig, sondern weil ÖVP-Chef Michael Spindelegger sie weghaben will, weil er selber Finanzminister werden möchte, um sich gegen Kanzler Werner Faymann besser behaupten zu können.

Nur wenige attestieren ihr, dass sie sich gegen den Mainstream der politischen Männerwelt wenigstens zu sagen traut, was ihrer Meinung nach Sache ist. Allein schon die große Zahl an Reaktionen - Postings, Tweets - zeigt: An Fekter kommt kaum jemand vorbei, sie regt die Leute an und auf, als Reibebaum im eigenen Land oder als politische Speerspitze ihrer Partei. Eine Hassfigur geht.

Auf Twitter wunderte sich jemand aber darüber, dass Fekter unter den Europajournalisten offenbar einen anderen - etwas differenzierteren - Ruf hat. Ihr bei Amtsantritt schlechtes Englisch oder eine symbolische Rempelei mit Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker beim Finanzministertreffen in Kopenhagen vor eineinhalb Jahren hatten ihr zunächst auch auf Brüsseler Boden einigen Spott beschert. "Hexe aus dem Süden", schrieb Kerstin Gammelin von der "Süddeutschen Zeitung" über die Österreicherin.

"Bekenntnis zur Transparenz"

Und dennoch gibt es inzwischen nicht wenige, die es durchaus schade finden, wenn Fekter als sprachgewaltige Vertreterin eines kleinen Eurolandes abhandenkommt. So twitterte der Europakorrespondent Bojan Pancevski von der angesehenen britischen "Sunday Times": "Österreichs Finanzminister Maria Fekter scheint ihr Abtreten aus dem Amt anzukündigen. Die Journalisten werden ihr Bekenntnis zur Transparenz vermissen."

Sie sei eine von wenigen unter den Finanzministern, die bereit ist, klare Informationen zu geben zu dem, was hinter verschlossenen Türen läuft, sagt ein anderer. Von den nichtssagenden, oft irreführenden Erklärungen eines Wolfgang Schäuble oder eines Pierre Moscovici habe man nichts. „Juncker hat selber gesagt, dass er uns im Notfall anlügt", merkt Pancevski an.

Was erklärt diesen deutlichen Wahrnehmungsunterschied? Drei Aspekte stechen ins Auge.

Auffällig

Erstens: Zum einen ist Fekter auffällig, allein schon weil sie eine von nur ganz wenigen Frauen ist, die es geschafft haben, in den Klub der von Männern extrem überdominierten Euromanager einzutreten. In der "ZiB 2" wurde am Donnerstag eine interessante Aufnahme von einem Treffen gezeigt. Man sieht, wie Fekter an einer mehrreihigen Menschenmenge vorbeigeht, die sich zum Gruppenfoto aufgestellt hat, und sich hinter den deutschen Bundesbankchef Jens Weidman stellt: alles männlich rundum, Schäuble, Dijsselbloem, Draghi, Moscovici, Rehn, Regling und, und, und. Nur IWF-Chefin Christine Lagarde oder die finnische Finanzministerin Urpilainen bilden mit Fekter eine Ausnahme. So was wird als positiv wahrgenommen.

Dagegenreden

Zweitens: Der Finanzminister eines mittleren oder eher doch kleinen Landes hat im großen Konzert der EU-Partner von vornherein wenig zu melden. Die Großmächte wie Frankreich, Deutschland oder Großbritannien lassen das da und dort auch gerne spüren. Fekter ist in diesem Spiel eine der wenigen, die sich diese zeitweilige Ignoranz, das Drüberfahren über die Kleinen, nicht unbedingt bieten lassen, sondern dagegenreden.

So geht sie den Partnern, vor allem Deutschland und Frankreich, seit zwei Jahren auf die Nerven, weil sie sich - mit Luxemburg - beim Übergang zum automatischen Bankdatenaustausch für Zinserträge ziert und querlegt, weil Österreich nicht hinnehmen könne, wenn die Schweiz und andere europäische Drittländer das nicht im Gleichschritt täten. Auf der anderen Seite scheute sie sich nicht, ihrem britischen Kollegen zuletzt in Dublin vor versammelter Runde ins Gesicht zu sagen, dass eine Haltungsänderung nur dann infrage komme, wenn die Briten ihre Steueroasen auf den Kanalinseln austrocknen, wo Meinl und Karl-Heinz Grasser tätig wurden. So was bringt auch unter Finanzministern, die alle keine Weicheier sind, durchaus Respekt ein.

Sachpolitik

Drittens: In Brüssel dominiert Sachpolitik, geht es um unendlich viele Details und Feinheiten bei politischen Entscheidungen. Mit großen Sprüchen wie in der österreichischen Politik kommt man da nicht weit. Fekter hat das in den zweieinhalb Jahren ihrer Amtszeit als Finanzministerin nach anfänglichen Patzern auf EU-Ebene realisiert, sich einen offenen Informationsstil erarbeitet. Kein anderer Minister aus Österreich tut dies, wenn man das vergleicht. Wenn sie aus den EU-Ministerräten berichtet, ist sie bereit, die Sachlage und die Probleme in der Eurogruppe direkt anzusprechen. Das mögen Journalisten natürlich. "Man kann sich dann zumindest ein Bild machen, was da wirklich läuft", resümiert Pancevski. (Thomas Mayer, derStandard.at, 15.11.2013)