Bild nicht mehr verfügbar.

Madrid: Weil Solarstrom durch das neue Gesetz massiv verteuert wird, lässt Architekt Inaki Alonso die Photovoltaikzellen auf dem Dach seiner Wohnung nach einem halben Jahr wieder abmontieren. Sie werden jetzt auf dem Hausdach eines Bekannten, der weitab jeder Stromleitung lebt und deshalb vom Anschlusszwang ausgenommen ist, angebracht.

Foto: REUTERS/Inaki Alonso

Jahrelang hat Spaniens Regierung die Installation von Photovoltaikanlagen gefördert. Mit einer Kapazität von 7.276 Gigawattstunden lag das Land 2010 weltweit nur hinter Solar-Weltmeister Deutschland und Italien.

Doch angesichts der Wirtschaftskrise sucht die Regierung des konservativen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy nach neuen Einnahmequellen, und eine davon sollen die Spanier sein, die in den vergangenen Jahren in erneuerbare Energien investiert haben.

Sechs Cent "Back-up-Gebühr"

Weil die spanische Regierung den Energieerzeugern die Differenz zwischen ihren Erzeugungskosten und den regulierten Preisen ersetzt, schuldet sie den Stromkonzernen mittlerweile 26 Milliarden Euro. Zumindest einen Teil davon soll die neu eingeführte "peaje de respaldo" ("Back-up-Gebühr") in Höhe von etwa sechs Cent pro Kilowattstunde einbringen.

Dieses Entgelt soll sicherstellen, dass Haushalte, die ihre eigene Energie produzieren, sich an den Kosten für Netzausbau und -erhaltung beteiligen, weil sie im Bedarfsfall ja auf Strom aus dem Netz zurückgreifen können.

"Solarstrom ist nun einmal teurer"

Kritiker werfen der Regierung vor, das neue Gesetz auf Druck der fünf großen Stromerzeuger beschlossen zu haben. Energiestaatssekretär Alberto Nadal teilt diese Ansicht nicht: "Solarstrom ist nun einmal teurer als Elektrizität, die in Großanlagen massenproduziert wird", argumentiert er.

Um feststellen zu können, wie viel ein Haushalt für selbstverbrauchten Solarstrom zu bezahlen hat, müssen Photovoltaikanlagen gemeldet und an das Netz angeschlossen werden, wenn dies technisch möglich ist. Ausgenommen sind lediglich weitab der Zivilisation gelegene Gebäude, bei denen der Anschluss zu teuer käme.

Gemeinden protestieren

Vor allem spanische Gemeinden, die in Solarstrom für kommunale Einrichtungen wie Schwimmbäder oder Sportanlagen investiert haben, reagierten empört: "Der Großteil dieser Anlagen wird wohl abgebaut werden, weil sie unter diesen Bedingungen nicht rentabel zu betreiben sind", sagt Teresa Ribera, bis 2011 Staatssekretärin für Klimawandel, zum STANDARD.

Kein Durchsuchungsbefehl erforderlich

Um zu verhindern, dass Solarpaneele heimlich installiert werden, droht Betreibern nichtangemeldeter Anlagen eine Geldstrafe zwischen sechs und dreißig Millionen Euro. Der Strafrahmen war ursprünglich für Unternehmen angelegt, soll aber auch für Privatpersonen gelten. Eine Verordnung, die noch im November beschlossen werden soll, wird Inspektoren des Industrie- und  Energieministeriums erlauben, Privatwohnungen zu Kontrollzwecken ohne Durchsuchungsbefehl zu betreten.

Widerstand befürchtet

Ob die "Solarinspektoren" wirklich alle Bürger erwischen werden, die Solarstrom für den Eigenkonsum erzeugen, ohne eine Genehmigung einzuholen, ist fraglich. "Ich sehe eine Gefahr: Viele Spanier glauben nicht mehr daran, dass die staatlichen Institutionen in ihrem Interesse und nicht dem der großen Unternehmen handeln", befürchtet Ribera. "Dies könnte langfristig das System der Energieversorgung gefährden, weil Angebot und Nachfrage sowie Bedarfsspitzen immer schwerer zu kalkulieren sind, wenn Solarstrom-Kapazitäten nicht gemeldet werden."

Bei der EU-Kommission sind bereits mehrere Beschwerden gegen das spanische Energiegesetz eingelangt. Bis 2020 sollen 20 Prozent des in der EU verbrauchten Stroms aus erneuerbaren Quellen kommen. (Bert Eder, derStandard.at, 20.11.2013)