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Am 8. Dezember 2013 wäre Jim Morrison 70 Jahre alt geworden.

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Heidelberg - Der Konsum von Alkohol und härteren Drogen gilt unter Rockmusikern weitverbreitete Erscheinung. Verbunden damit ist die Vorstellung, dass auf diese Weise schöpferische Kräfte gefördert werden. Diese Illusion zeigt sich auch bei dem Sänger, Songwriter und Lyriker Jim Morrison, der 1971 im Alter von 27 Jahren starb.

Psychotherapeut und Kreativitätsforscher Rainer M. Holm-Hadulla von der Universität Heidelberg hat sich der Pop-Ikone mit ideographischen Methoden genähert und sich intensiv mit seiner Biografie und seinen Texten auseinandergesetzt. Für eine Studie wertete der Wissenschaftler Liedtexte und Gedichte der Musikerlegende Jim Morrisons aus, ebenso wie Interviews und Berichte von Freunden, Arbeitskollegen und Familienangehörigen. Exzessiver Konsum von Alkohol und Drogen hat bei dem "The Doors"-Frontmann in relativ kurzer Zeit zu einem Verlust seiner Kreativität geführt, statt diese zu fördern. Die Ergebnisse der psychologischen Fallstudie wurden in der Fachzeitschrift "Psychopathology" veröffentlicht.

Überdurchschnittlich intelligent

"Bereits die frühen Texte zeigen, dass Jim Morrison versucht hat, traumatische Kindheitserlebnisse, depressive Phasen und unkontrollierte Gefühlsausbrüche kreativ zu verarbeiten", sagt der Heidelberger Wissenschaftler. Gefördert wurde dies, so Holm-Hadulla, durch seine überdurchschnittliche Intelligenz – Morrison wurde ein IQ von 149 bescheinigt – und seine besonderen sprachlichen Fähigkeiten, die ihm bereits ein Lehrer in der Schule attestierte. "Das Talent und das Wissen über literarische Formen waren also schon vorhanden, bevor Jim Morrison begann, Alkohol und andere Drogen zu konsumieren. Seine Inspirationen konnte er jedoch erst ausarbeiten, nachdem er in der Band 'The Doors' eine produktive Umgebung gefunden hatte", erläutert der Psychotherapeut und Kreativitätsforscher.

Jim Morrison hat schon in seiner Jugendzeit massiv getrunken. "Vermutlich um sich gegen die rigiden Wertvorstellungen der Eltern und Großeltern zur Wehr zu setzen," sagt Holm-Hadulla. Später seien auch andere Drogen hinzugekommen. "Zu der Rebellion gegen soziale Normen und der Sehnsucht nach Bewusstseinserweiterung trat die Motivation, etwas Neues und Authentisches zu schaffen", sagt der Heidelberger Kreativitätsforscher und ergänzt: "Morrisons kreative Hochphase gründet in dem Kontakt zu seinen Musiker-Freunden, die einen geeigneten Resonanzraum darstellten und ihn, wenn auch nur für kurze Zeit, vor seinen selbstzerstörerischen Impulsen schützen konnten." Unter massivem Alkohol- oder Drogeneinfluss sei er jedoch nicht mehr in der Lage gewesen, originelle Texte zu schreiben und die Schönheit seiner Stimme zu nutzen. "In einem Teufelskreis haben Alkohol und Drogen seine Kreativität beschädigt, und als Reaktion auf den Verlust schöpferischer Potenzen hat sich besonders sein Alkoholkonsum selbstmörderisch verstärkt."

Klischees und Illusionen

Holm-Hadullas Morrison-Analyse fügt sich in die Ergebnisse anderer Studien ein. Verschiedene Untersuchungen belegen , dass allenfalls geringe Alkoholmengen das assoziative Denken befördern. Die Fähigkeit, Inspirationen auszuarbeiten, wird aber beeinträchtigt und bei höheren Mengen ganz behindert.

Dennoch ist die mediale Inszenierung des Untergangs von Pop-Ikonen wie Jim Morrison oder Amy Winehouse durchaus attraktiv, wie Holm-Hadulla sagt. "Sie bedienen das Klischee, durch Grenzüberschreitungen kreativ zu werden. Entrückte Künstler und ihre Exzesse befeuern vielfältige Illusionen, die jedoch von der Musikindustrie gezielt bedient und in den Medien inszeniert werden." Das dahinterliegende Elend werde allerdings übersehen. Bei Jim Morrison seien dies die Auseinandersetzung mit einer beziehungsarmen Kindheit, melancholischen Verstimmungen und der Grausamkeit des Vietnamkriegs gewesen. "Er identifizierte sich mit den Opfern, während sein Vater als Admiral der US-Streitkräfte ein Protagonist des Krieges war. In wunderbaren Songs konnten die 'Doors' den Schrecken in ästhetische Erfahrungen verwandeln, ihr Sänger verzehrte sich allerdings wie in einem Opferritual." (red, derStandard.at, 15.11.2013)