Wer den Eindruck schinden will, er wäre der begehrteste Junggeselle des Landes und nebenbei auch noch Kanzler der Herzen, der kann sich nicht dauerhaft an eine Frau verschenken. Er muss sich aufsparen für das Volk, aber diesem gleichzeitig demonstrieren, wie schwer das fällt – so heiß begehrt, wie er ist. Wichtig dabei ist das Timing, gilt es doch, beide Aspekte eines solchen Männerschicksals optimal in den Medien zu placieren. H.-C. Strache zeigt vor, wie das geht. Stehen Wahlen an, kündigt er eine Hochzeit an, sind sie vorbei die Trennung. Das bringt in beiden Fällen mehrere Titelgeschichten. In Zeiten, in denen sonst kein Hahn nach ihm kräht, verschafft ihm das einen medialen Vorsprung gegenüber weniger erotisierten, weil budgetär abgelenkten Mitbewerbern in der Politik und sichert ihm den Führungsanspruch in seiner Partei. Millionen Frauenherzen verzagen, wenn er sich wahlkampfbedingt wegwirft, nicht weniger dürfen wieder schneller schlagen, wenn sie in "Österreich" lesen: "Strache: Liebes-Aus statt Hochzeit", und in der "Kronen Zeitung": "HC Straches Hochzeit ist geplatzt". Das wahre Ausmaß der Tragödie fasste der "Krone"-"Adabei" zusammen: "Nun wird Heinz-Christian Strache Weihnachten wohl ohne Andrea Eigner verbringen".

"Und wieder ein gebrochenes Wahlversprechen", ordnete das Blatt den Vorgang richtig ein. "Im Sommer noch plauderten Spitzenpolitiker Heinz Christian Strache, 44, und seine Partnerin Andrea Eigner, 28, offen von ihrer Hochzeit – aber alles erst nach der Nationalratswahl. Nun, die Wahl ist vorbei. Nur, auch in Sachen Liebe ist es aus. Zum zweiten Mal. 2009 trennten sie sich schon einmal". Gegen diesen Kassasturz ist der der Koalition glaubwürdig.

Im Sommer schwelgten Kanzler und Vizekanzler in Versprechungen. "Im Sommer schwelgte er in der 'Krone'": "Wenn es mal so weit ist, werde ich es sehr ernst nehmen. Ich will auch kirchlich heiraten und werde mit schlotternden Knien beim Schwiegerpapa um ihre Hand anhalten." Was jetzt werden soll, ist so ungewiss wie das Schicksal der Koalition. Faymann und Spindelegger bleibt wenigstens bis auf weiteres, was Strache laut "Österreich" weggeworfen hat: "Wir erden uns gegenseitig. Das heißt, es gibt eine Fußmassage am Abend".

Weniger eifrig als bei der Berichterstattung über Straches Liebesabenteuer erwies sich "Österreich" Donnerstag in eigener Sache, obwohl sich Wolfgang Fellner dabei eine Sensation entgehen lassen musste, was sonst nicht seine Art ist. Wann kommt das schon vor? Da schreibt das gesamte österreichische Fußball-Nationalteam einen offenen Brief an "Österreich" - DER STANDARD hat ihn abgedruckt -, ausgerechnet an einem Tag, an dem Fellner leider nicht den kleinsten Platz dafür erübrigen kann. Nicht auf Seite 1, weil dort Straches "Liebes-Aus" und als Trost "Udo Jürgens neue Liebe mit 79" keinen Platz für das Nationalteam lässt. Und nicht im Sport, wo zwar unter "Nationalteam" Marko Arnautovic mit einem Interview vertreten ist, von dem womöglich nicht einmal der Nationalspieler weiß, ob er es gegeben hat.

Immerhin war es diesmal keines dieser "Exklusiv-Interviews", von denen es im Brief des Nationalteams heißt, sie würden in "'Österreich'" häufig" auftauchen, obwohl "niemand von uns jemals interviewt worden ist". Man kann von Fußballern nicht unbedingt erwarten, dass sie Wolfgang Fellners kreativen Journalismus bis in seine feinsten Verästelungen zu würdigen wissen, aber so ungerecht hätten sie nicht sein müssen, ihm "reißerische Texte, die nicht selten in Beleidigungen gipfeln" vorzuwerfen, nur weil er Marcel Koller als "'Verräter' bezeichnet, den man als "Packerl an die Schweizer schicken soll."

Fellner schrieb, am 29. Oktober, auch von einer "Koller-Pleite". Wenn uns der 'Charakter' beim Teamchef wichtig ist, dann bitte in Zukunft keine billigen Söldner, sondern den besten heimischen Trainer. In Zukunft keine Söldner mehr!" Und weil Fellner Charakter nicht nur "beim Teamchef", sondern auch bei sich selbst über alles geht, schrieb er zwei Tage später: "Respekt. Aber die Entscheidung von Koller, als Teamchef in Österreich zu bleiben, verdient nicht nur Respekt, sondern auch ein ehrliches "Danke". Wir sollten Marcel Koller zum "Ehren-Österreicher" machen."

Menschen mit Charakter fehlen unserem Fußball. Wirklich? Aber, wie Fellners Beispiel beweist, sicher nicht so sehr wie einem Boulevardjournalismus, dem nur noch ein paar Politiker "Respekt" per Inserat erweisen. (Günter Traxler, DER STANDARD, 16./17.11.2013)