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Mit Gasmaske und Flagge protestierten Albaner in Tirana gegen Pläne zur Entsorgung von C-Waffen in ihrem Land.

Foto: AP/Pustina

Tirana/Sarajevo – "Jo, jo, jo!", skandierten die Demonstranten, die sich vor der "Pyramide", dem für Enver Hoxha gedachten Mausoleum in Tirana, eingefunden hatten. "Jo" heißt auf Albanisch "nein". Tausende Menschen, vorwiegend Studenten, hatten gegen die Zerstörung syrischer Chemiewaffen im Land protestiert, am Freitagabend gab die Regierung von Premierminister Edi Rama nach. "Es ist unmöglich für Albanien, sich an dieser Operation zu beteiligen", sagte dieser im TV.

Mit Atemschutzmasken hatten die Demonstranten zuvor bekundet, dass sie vor allem vor dem Giftmüll Angst hatten, der bei der Vernichtung von C-Waffen entsteht. Albanien ist Giftmüll tatsächlich ein heikles Thema, hat doch der schwer paranoide Diktator Enver Hoxha in der stalinistischen Zeit Albaniens das kleine Land hochgerüstet. Danach mussten die Albaner die Waffenarsenale zerstören. 2007 wurden etwa 16 Tonnen Senfgas entsorgt. Der Giftmüll wird noch immer in einem Dorf außerhalb von Tirana gelagert. Man weiß nicht wohin damit. Zudem ruft die Entsorgung von Waffen aber noch eine andere traumatische Erinnerung hervor.

Im März 2008 explodierte in Gërdec, in der Nähe von Tirana, ein Munitionslager, wo Waffen aus der kommunistischen Zeit entsorgt wurden. Stundenlang donnerten die Sprengsätze in der Luft, eine Feuerwolke erhob sich, 26 Menschen wurden getötet, Hunderte verletzt, 2300 Gebäude beschädigt. Gërdec war mehr als ein Unfall. Die Entsorgung war schlichtweg zu billig und unsachgemäß erfolgt. Die Menschen waren nicht ausgebildet, und die albanische Firma, die die Entsorgung vornahm, war Tochter eines US-Unternehmens.

Die grundsätzlich sehr proamerikanischen Albaner – die für die Intervention im Kosovo dankbar und stolz auf ihre Nato-Mitgliedschaft (2009) sind – fühlten sich gedemütigt, weil das Land sozusagen degradiert werden sollte zur Müllhalde, auf die jene Sachen abgeladen werden können, die anderswo nie hingebracht werden könnten. Tatsächlich hat Albanien immer wieder Loyalität zu den USA gezeigt, Guantánamo-Häftlinge und Mitglieder der iranischen Widerstandsgruppe Volksmujahedin aufgenommen.

Regierung informierte nicht

Dazu kommt, dass man in Albanien überhaupt erst über norwegische Medien erfahren hat, dass die USA eine Anfrage an Tirana gestellt hatten. Norwegen hatte zuvor das Ansuchen abgelehnt. Die neue Regierung von Edi Rama hatte zunächst nicht darüber informiert. Auch gegen diese Verschleierung gingen Menschen auf die Straße. Sie sind enttäuscht von der neuen Regierung, in die auch NGOs Hoffnungen gesetzt hatten.

Noch dazu haben sich die Sozialisten unter Rama im Wahlkampf dazu verpflichtet, Albanien nicht zum "Müllimportland" zu machen.

Die Vorgängerregierung wollte Geld damit machen, Müll zu importieren. Rama hat dies nun revidiert. Umso enttäuschter waren die Demonstranten nun, dass er  trotzdem zu ernsten Überlegungen bereit war, den Amerikanern diesen Dienst zu erweisen. In Tirana soll es von US-Seite Druck gegeben haben, wie man von Insidern hört. Man mahnte Nato-Verpflichtungen ein.

Grundsätzlich geht es um jene Waffen, die nach einer Resolution des UN-Sicherheitsrats aus Syrien entfernt werden müssen und vor Juni 2014 zerstört sein sollen. Albanischen Experten zufolge würde die Vernichtung von 1000 syrischen Chemiewaffen, darunter Sarin und Senfgas, in Albanien allerdings acht Jahre beanspruchen.

Auch wenn das Land so Geld verdient und sich unter Verbündeten wahrscheinlich einen guten Namen gemacht hätte, gab es auch internationale Experten, die auf die Risiken in Albanien hinwiesen: Es geht um fehlende Sicherheit, aber auch um Korruption. Es gab auch Sorgen, dass Waffen nicht entsorgt, sondern weiterverkauft werden könnten. (Adelheid Wölfl/DER STANDARD, 16.11.2013)