Berlin - Die deutsche SPD hat eine Große Koalition mit der Union von der Umsetzung sozialdemokratischer Kernforderungen abhängig gemacht. SPD-Chef Sigmar Gabriel nannte am Samstag auf dem SPD-Parteitag in Leipzig besonders einen flächendeckenden Mindestlohn von 8,50 Euro und die Hinnahme der doppelten Staatsbürgerschaft als Bedingungen für ein Regierungsbündnis. Der Parteitag beschloss zum Abschluss zudem einen Leitantrag zur Kommunalpolitik.

"Wir sind nicht zum Nulltarif zu haben" und auch nicht "für ein paar Ministerposten", richtete Gabriel, der die abschließende Parteitagsdebatte zur Kommunalpolitik überraschend noch einmal für grundsätzliche Äußerungen nutzte, eine scharfe Warnung an die Adresse der Union. CDU und CSU müssten "jetzt liefern", wenn sie mit der SPD regieren wollten.

"In diesem Koalitionsvertrag muss klar sein, dass wir einen Mindestlohn von 8,50 Euro flächendeckend in Deutschland bekommen", sagte der SPD-Chef. "Ich werde der SPD keinen Koalitionsvertrag vorlegen, in dem die doppelte Staatsbürgerschaft nicht drin ist", fügte er hinzu. Weiter forderte Gabriel ein Zurückführen von Leih- und Zeitarbeit, gleichen Lohn für gleiche Arbeit, eine abschlagsfreie Rente nach 45 Versicherungsjahren und mehr Geld für Bildung und für Kommunen. Das soziale Europa müsse "gleichberechtigt neben dem Binnenmarkt-Europa stehen".

Schlechte Wahlergebnisse am Parteitag

Gabriel warf der CDU/CSU vor, die SPD durch das Verweigern konkreter Zugeständnisse "in den Parteitag geschickt zu haben ohne jedes Ergebnis". Dort hatten fast alle Mitglieder der Parteiführung am Donnerstag und Freitag deutlich schlechtere Wahlergebnisse erhalten als auf früheren Parteitagen. Dies wurde auch als Unbehagen mit dem bisherigen Verlauf der Koalitionsverhandlungen interpretiert. "Jetzt müsst ihr liefern, liebe Leute von der Union", verlangte der SPD-Chef.

"Ihr könnt Euch darauf verlassen, dass wir kämpfen und nicht kuscheln", kündigte Parteivize Manuela Schwesig eine harte Gangart in den weiteren Koalitionsverhandlungen an. Der brandenburgische Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) bekräftigte in "Spiegel Online", ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro sei "eine der Grundvoraussetzungen" für ein Regierungsbündnis mit der Union. "Wir müssen wichtige sozialdemokratische Inhalte umsetzen, sonst gibt es keine Große Koalition", verlangte der frühere SPD-Chef Kurt Beck in der "Bild"-Zeitung vom Samstag.

Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit verwies mit Blick auf das bevorstehende SPD-Mitgliedervotum auf "starke emotionale Widerstände an der SPD-Basis" gegen eine Große Koalition. Daher "hängt alles jetzt vom Verhandlungsergebnis ab", sagte er "Bild". "Wenn Frau Merkel unsere Forderungen zu weit gehen, muss sie eben mit den Grünen oder einem Minderheitskabinett regieren", sagte demselben Blatt der Parteilinke Klaus Barthel.

Der Leitantrag zur Kommunalpolitik wurde zum Abschluss des Parteitages einstimmig beschlossen. Darin erklärt die SPD es zu einem vorrangigen Ziel, Städte und Gemeinden als Wirtschafts- und Wohnstandorte zu stärken und "ihre kulturelle Vielfalt und die Umwelt- und Lebensqualität ebenso zu bewahren wie ihren sozialen Zusammenhalt". "Verwahrloste Städte und Gemeinden erzeugen am Ende eine verwahrloste Gesellschaft", warnte Gabriel. (APA, 16.11.2013)