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Mit 25 darf Kerstin Frank erstmals bei Olympischen Spielen ihre eisläuferischen Fähigkeiten unter Beweis stellen. Dafür nimmt sie im Training vieles in Kauf.

Foto: Reuters/Blinch

Wien - "Wir sind alle ein bisschen krank", sagt Sonja Harand. Dick eingepackt in Winterjacke, Haube und gefütterte Stiefel steht sie an der Bande der Eislauffläche. Von 8 bis 17 Uhr ist sie täglich in einer Eishalle anzutreffen. Häufig - wie an diesem Tag - in jener am Eisring Süd in Wien-Favoriten. Die Temperaturen in der Halle sind zum Dick-Einpacken. Dabei ist noch nicht einmal Winter.

Etwa acht junge Eiskunstläufer und Eiskunstläuferinnen flitzen über die Fläche. Aus den Lautsprechern sind wechselnde Musikstücke zu hören. Zum Beispiel "Die Fledermaus" von Johann Strauß. Die wird auch im Februar im Iceberg-Eislaufpalast von Sotschi zu hören sein - für vier Minuten. So lange hat Kerstin Frank die Eisfläche ganz für sich allein. In Wien hat sie das nie. Am Vormittag sei das noch okay, sagt sie. Nachmittags wird es eng auf dem Eis. Für die Olympischen Spiele hat sie sich trotzdem qualifiziert. Mit Platz neun bei der Nebelhorn-Trophy Ende September in Oberstdorf sicherte sich die 25-jährige Wienerin das Ticket für Sotschi. Für die zweifache Staatsmeisterin ist es die olympische Premiere.

Ausdauer

Viktor Pfeifer (dritte Olympia-Teilnahme) wird Österreich in Russland auch vertreten. Der Vorarlberger, achtfacher Staatsmeister, trainiert seit 2006 in den USA. Dort war Kerstin Frank Anfang November auf Trainingslager. Gelegentlich übt sie in Deutschland, in Oberstdorf. Ansonsten muss sie sich mit den eher widrigen Trainingsbedingungen (wenige Hallen zur Verfügung, viele Läufer trainieren gleichzeitig, kalte Temperaturen) in Wien abfinden. Ob man es mit den gegebenen Möglichkeiten hierzulande international in die absolute Spitze schaffen könne? "Ja, sicher", sagt Frank. "Man braucht nur Ausdauer. Ich habe mich nach vorn arbeiten müssen."

Mit 25 zählt Frank zu den routinierten Athletinnen in der Szene. Aber sie scheint noch nicht am Zenit ihrer Leistungsfähigkeit angelangt zu sein. "Sie ist frisch und unverbraucht", sagt Sonja Harand. Die Frau an der Bande ist seit elf Jahren Franks Trainerin. Unter ihrem Mädchennamen Balun holte sie in den 1970er-Jahren vier Staatsmeistertitel. Frank begann erst im Alter von zehn Jahren mit dem Eiskunstlauf. Davor war sie im Rollkunstlauf aktiv.

In den vergangenen Jahren ging es kontinuierlich aufwärts. Im Jänner belegte sie den starken zwölften Platz bei der Europameisterschaft in Zagreb. 1000 US-Dollar bekam sie Preisgeld. Eine einmalige Aufbesserung ihrer Finanzen. Frank beklagt sich nicht. Aber viel Geld ist es nicht, das ihr zur Verfügung steht. Sie ist dankbar für die Unterstützung des Heeressportzentrums, ist zudem im Team Rot-Weiß-Rot. Eine eigene Wohnung hat sie nicht. Ohne die Unterstützung ihrer Mutter Ingrid, die sie früher trainiert hat, wäre lange Zeit gar nichts gegangen. Ein Sponsor wird dringend gesucht. Das Interesse für den Eiskunstlauf in Österreich ist bescheiden. Die glorreichen Zeiten des Karl Schäfer, des Wolfgang Schwarz, der Trixi Schuba sind längst vorbei. Frank: "Ist halt so."

Spaßfaktor

In Sotschi will die Wienerin "gut abschneiden, ins Finale kommen". Sie rechnet ungern in Platzierungen. Dass sie im Februar bei den Olympischen Spielen antreten darf, lässt sie nicht ausflippen. Als sie es vor vier Jahren nicht zu Olympia nach Vancouver schaffte, dachte sie ans Aufhören. "Da war ich in einem mentalen Tief." Mittlerweile ist das vergessen. Ihr Ziel ist es, bis 2018 weiterzumachen - sofern ihr der Sport bis dahin Spaß macht.

An diesem Trainingsvormittag hat sie ausnahmsweise nicht so viel Spaß. Frank ist seit sechs Uhr wach. "Ich bin kein Morgenmensch." Sechs Tage pro Woche trainiert die Jusstudentin drei bis vier Stunden auf dem Eis. Dazu kommen Fitness- und Balletteinheiten. Täglich hört sie ihre Wettkampfmusik im Training. Die Bohemian Rhapsody - interpretiert von Maksim Mrvica, im Original von Queen - für das Kurzprogramm und eben Die Fledermaus für die Kür. Letztere hat sie heuer neu einstudiert. "Ich brauche immer sehr lange für die Auswahl der Musik. Schließlich soll sie mir nicht irgendwann auf die Nerven gehen."

Gegen Ende der Einheit am Eisring Süd ist Kerstin Frank noch immer nicht wohlig warm. Mit Stirnband und in japanischer Trainingsjacke dreht sie die letzten Runden. Die Jacke hat sie von ihrem Freund Chris Reed - einem japanischen Eistänzer, den sie bei der Weltmeisterschaft 2012 in Nizza kennengelernt hat. Eine Fernbeziehung. Man trifft sich bei Wettkämpfen, kommuniziert übers Netz. "Mir wäre das ja zu wenig", sagt Sonja Harand. Für Frank ist es okay. Nach einem Trainingstag ist sie ohnehin froh, wenn sie den Abend entspannt und in Ruhe auf dem Sofa verbringen kann - bei warmen Temperaturen. (Birgit Riezinger, DER STANDARD, 18.11.2013)