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Lilli Gruber, La Rossa

Foto: APA/EPA/Ferrari

Lilli Gruber, genannt "La Rossa", ist eine Institution: Die langjährige Rai-Anchorwoman ist das bekannteste Gesicht des italienischen Fernsehens. Schlagfertig und sprachlich geschliffen – wäre da nicht ihr Familienname, niemand käme auf die Idee, dass die "rote Lilli"  aus einer deutschsprachigen Familie in Südtirol stammt, für die das Jahr 1919, als man Italien zugeschlagen wurde, ein schwerer Schicksalsschlag war.

Wie so viele andere ließ auch Gruber in jungen Jahren ihre Heimat hinter sich und fühlte sich fortan in Rom heimischer als in Neumarkt bei Bozen. Sie machte Karriere, profilierte sich durch ihre Opposition zu Silvio Berlusconi – daher, neben ihrer zeitweiligen Haarfarbe, auch ihr Spitzname – und war sogar EU-Abgeordnete.

Und wie so viele Südtiroler fand auch Gruber zurück zu den Wurzeln: Vor einigen Jahren fielen ihr die Tagebücher ihrer Urgroßmutter Rosa Tiefenthaler aus Pinzon in die Hände, und das Leben dieser Frau ließ sie nicht mehr los.

Zwei Jahre brachte Gruber für Recherchen auf, um Rosas Aufzeichnungen in ein Buch zu verwandeln, das persönliches Schicksal und Zeitgeschichte dokumentiert und in Beziehung setzt. Die Autorin verwendet fiktionale Elemente, wo es Lücken gibt; dies aber nicht auf spekulative, sondern auf stets nachvollziehbare Weise. "Ich konnte sie sprechen hören", schildert Gruber die Auseinandersetzung mit ihrer Urgroßmutter, die sie persönlich freilich nie kennenlernte. "Rosa hat mir die Hand ausgestreckt."

"Das Erbe"  wirkt auf diese Weise persönlicher und gleichzeitig auch authentischer als so mancher Tatsachenroman. Hier geht es nicht nur um das Leben einer zweifellos beeindruckenden Frau, sondern auch um eine – zumindest teilweise – Neubewertung dessen, was Südtirol eigentlich ist. Eine mitunter sehr emotionale Zeitreise für die Autorin und die Leser gleichermaßen.  (Gianluca Wallisch /DER STANDARD, 18.11.2013)