Wien - Die Gesamtmenge der bei der Atomkatastrophe in Fukushima atmosphärisch freigesetzten Strahlung betrug nur rund ein Zehntel dessen, was bei der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl frei wurde. Zu diesem Schluss kommt der österreichische Strahlenphysiker Georg Steinhauser in einem Artikel im Fachjournal "Science of the Total Environment", für den er über 200 Studien zu den Unfällen ausgewertet hat.

"Unterm Strich ist in Fukushima wesentlich weniger passiert, als man ursprünglich befürchtet hat. Und das ist sehr gut so", erklärte Steinhauser im Gespräch mit "science.ORF.at". Der Strahlenphysiker, der derzeit an der Colorado State University in Fort Collins (US-Bundesstaat Colorado) arbeitet, hat im Juni dieses Jahres als einer der ersten ausländischen Wissenschafter im Katastrophengebiet von Fukushima (Japan) Proben entnommen.

In Tschernobyl (Ukraine) betrug die freigesetzte Strahlenmenge laut Steinhauser 5.300 Peta-Becquerel, in Fukushima dagegen 520 Peta-Becquerel. Während nach der Tschernobyl-Katastrophe 1986 ein Gebiet von rund 30.000 Quadratkilometern als hoch belastet galt (entspricht einer Belastung von mehr als 185 Kilo-Becquerel pro Quadratmeter), seien es rund um Fukushima 2.000 Quadratkilometer.

Dem Strahlenphysiker zufolge waren auch die radioaktiven Stoffe bei den beiden Unfällen anders zusammengesetzt. So habe es im Gegensatz zu Tschernobyl in Fukushima kaum Strontium-90 und Plutonium gegeben.

Glück für Japan

Die Ursachen für die unterschiedlichen Auswirkungen sieht Steinhauser einerseits in den anderen Unfalldynamiken: Während in Tschernobyl der Reaktor thermisch zerstört wurde, freigelegen sei und es zu einem Graphitbrand gekommen sei, sei es in Fukushima nach dem Ausfall der Kühlung zu einer Kernschmelze gekommen. Als die japanischen Techniker dann den Druck in den Reaktoren entlastet hätten, seien die ausgetretenen radioaktiven Gase durch den ablandigen Wind in Richtung Pazifik geweht worden. "80 Prozent der radioaktiven Stoffe sind aufs Meer geblasen worden, und das war ein großes Glück für Japan", sagte der Experte.

Andererseits hätten die japanischen Behörden "sowohl bei der Evakuierung der Bevölkerung als auch bei der Wahrung der Lebensmittelsicherheit richtig reagiert. Da hat man aus Tschernobyl wirklich gelernt." Dies habe sich konkret auf die Gesundheit der betroffenen Menschen ausgewirkt. Während es in Fukushima bis heute keine mit der Kernschmelze verbundenen akuten Todesfälle gebe, habe es in Tschernobyl mindestens 50 "Akut-Tote" gegeben. Die Krebsrate in der Folge der Unfälle sei schwieriger zu beziffern. Steinhauser rechnet aber damit, dass sich in Fukushima "die Zahl der Krebsfälle nach allem, was wir heute wissen, nur sehr gering erhöhen wird." (APA, 18.11.2013)