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Ein Apfel am Tag kann durchaus dazu beitragen, sich gesund zu halten. Vorausgesetzt der Lebensstil stimmt.

Foto: APA/Felix Kästle

"An Apple a day keeps the doctor away". Als erste schriftliche Quelle für diese Volksweisheit gilt die britische Zeitschrift "Notes and Queries" von Februar 1866. "Eat an apple on going to bed, and you'll keep the doctor from earning his bread", heißt es in der Überlieferung aus Pembrokeshire, einer Grafschaft im Südwesten von Wales, und fast könnte man Mitleid mit den Ärzten haben. Endgültig populär wurde der Spruch dann zu Beginn des 20. Jahrhunderts in seiner aktuellen Version "An Apple a day keeps the doctor away".

Einziges lagerfähiges Obst

Die erste schriftliche Überlieferung besagt nichts über das tatsächliche Alter der Volksweisheit. "Sie kommt aus einer Zeit, wo Äpfel in unseren Breitengraden so ziemlich das einzige lagerfähige Obst und damit Vitaminlieferanten waren", sagt  Karl-Heinz Wagner, Studienprogrammleiter des Departments für Ernährungswissenschaften an der Universität Wien.

Bananen oder Orangen waren noch nicht in die nördlicheren Regionen Europas vorgedrungen. Hier war der Apfel immer verfügbar und ist es auch heute noch, was ihn neben seinem ansprechenden Aroma und der vielseitigen Einsatzmöglichkeiten zum beliebtesten Obst der Österreicher macht. 20 bis 30 Kilogramm werden durchschnittlich pro Jahr und Kopf verzehrt - doppelt so viel wie Bananen.

"Es ist eine Spekulation, aber vielleicht hat man damals, als der Spruch aufkam, festgestellt, dass Menschen, die täglich Äpfel essen, weniger krank sind", sagt Wagner. Dabei habe der Apfel, der zu 80 bis 85 Prozent aus Wasser besteht, gar keine wirklich herausragenden Inhaltsstoffe, dafür aber relativ viele: einen nicht unerheblichen Anteil an Fructose, einige B-Vitamine und - in geringeren Mengen - Vitamin C, Vitamin E und Pektin. Dieser Ballaststoff ist nicht wirklich verdaulich, löst sich aber im Darm durch die Darmbakterien auf.

Cholesterinsenkung und Gefäßschutz

"Pektin kann dazu beitragen, den Cholesteringehalt zu reduzieren", bezieht sich der Ernährungswissenschaftler auf verschiedene Studien. So könne durch den regelmäßigen Verzehr von frischen oder getrockneten Äpfeln die Cholesterinkonzentration im Blutplasma innerhalb eines Jahres um bis zu 20 Prozent gesenkt werden.

Neben Pektin enthalten Äpfel viele sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe - allen voran Polyphenol. "Es ist nicht evidenzbasiert, dass ein Apfel am Tag vor Erkrankungen schützt, aber es gibt ganz schöne Hinweise darauf, dass Quercetin und andere Polyphenole im Apfel einen gewissen Gefäßschutz bieten können", sagt Wagner.

Mit ihrem hohen Gehalt an Polyphenolen wirken Äpfel antioxidativ. "Das kann man schön nachweisen", sagt Wagner, "dennoch würde ich mich nicht trauen zu sagen: Ein Apfel schützt vor Krebs." In vitro Untersuchungen hätten gezeigt, dass Polyphenole gewisse Schutzeffekte darstellen, "aber in vitro kann man sehr viel zeigen", sagt Wagner. Darüber hinaus sei ungewiss, ob diese Stoffe von den menschlichen Zellen in dieser Form aufgenommen würden, da sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe sehr schlecht bioverfügbar seien.

Mit oder ohne Schale?

Um von den gesundheitsfördernden Inhaltsstoffen der Äpfel so viel wie möglich zu profitieren, empfiehlt Wagner den Verzehr mit der Schale. In ihr sind sämtliche sekundären Pflanzeninhaltsstoffe enthalten. Zwischen einem Bioapfel, einem steirischem Apfel aus konventionellem Anbau oder einer Frucht vom eigenen Baum kann der Experte vom rein ernährungswissenschaftlichen Standpunkt aus keine Unterschiede festmachen. Wichtig sei, den Apfel vor dem Verzehr, gut zu waschen.

"Was die Wirkung betrifft wird Bio überschätzt", sagt Wagner. Das gelte auch für die unterschiedlichen Sorten: "Ob man nun einen Gala, einen Granny Smith oder einen Elstar isst, macht keinen Unterschied." Die Inhaltsstoffe von Äpfeln eines einzigen Baumes können von Jahr zu Jahr um bis zu 100 Prozent variieren, je nachdem, wie viel Sonne oder Regen die Bäume abkriegen und wie reif oder unreif sie geerntet werden.

Bessere Verträglichkeit

Äpfel gelten als basisches Lebensmittel, sind im Allgemeinen gut verträglich und kommen auch in der Ernährung von Säuglingen, Kindern und alten Menschen zum Einsatz. Nichtsdestotrotz werden sie im Rohzustand nicht von jedem vertragen. Hier empfiehlt Wagner das Schälen oder verkochen. Durch das Erhitzen wird der Pektingehalt abgebaut. "Es spricht nichts gegen ein Apfelkompott, aber gesundheitliche Wirkung würde ich schon eher dem rohen Apfel zuschreiben", gibt der Experte den hohen Zuckergehalt in einem Kompott zu bedenken, der den ohnehin hohen Fructosegehalt des Apfels noch steigert.

Die Strategie einen Apfel am Tag als Schutz vor grippalen Effekten oder gar Influenza zu verzehren, stellt Wagner infrage: "Ich weiß von keinen Untersuchungen, die besagen, dass der Apfel das Immunsystem schützt." Sein Fazit: Ein Apfel am Tag könne durchaus dazu beitragen, sich gesund zu halten. Vorausgesetzt der Lebensstil stimmt: "Es bringt nichts, wenn man eine ungesunde Ernährungsweise pflegt, sich wenig bewegt und dann hin und wieder einen Apfel isst", stellt Wagner klar. (Eva Tinsobin, derStandard.at, 20.11.2013)