Wien - Eigenartiges Konzert. Mit 30 Dirigenten arbeiten die Wiener Symphoniker in der laufenden Saison zusammen, die (seltene) Kooperation mit Kent Nagano aber kann nicht wirklich als eine Herzensangelegenheit beschrieben werden: Der fragile US-Amerikaner wurde vonseiten der Musiker nur im äußersten Notfall eines Blickes gewürdigt. Am Stimmführerpult der Celli wurde halbseitig griesgrämige Arbeitsverweigerung betrieben - was speziell dem ersten Satz von Bruckners Siebter nicht gut bekam. (Zum Glück legten sich Teile der Kontrabässe im Finalsatz umso heftiger ins Zeug.)

Vadim Repin wirkte bei Bergs Violinkonzert ein wenig so, also hätte er an diesem Vormittag verschlafen, welches Konzert denn drankommt: Die Noten mussten her, und die Interpretation fand kaum über Standardniveau hinaus. Die programmgestalterische Idee, den im Berg-Konzert zitierten Bach-Choral vorab von (außerhalb des Saales postierten) Blechbläsern spielen zu lassen und darauf Charles Ives' The Unanswered Question folgen zu lassen, machte mehr theoretischen Sinn als praktischen Eindruck.

Dennoch war es, speziell in der zweiten Hälfte, ein tolles, intensives Konzert. Nagano ließ beim Bruckner überraschend saftig, kulinarisch musizieren; die Symphoniker boten dunkle Wärme, ätherische Entrücktheit und dramatische Wucht, kaum weniger überzeugend als ihre philharmonischen Kollegen. Immer war alles im Fluss bei Nagano, tänzelte; beim meist gewichtig zelebrierten "non confundar" im Adagio bediente sich er sich einer Zeichensprache, mit der Kollegen vielleicht ein lyrisches Thema einer Suppé-Ouvertüre durchwinken würden. Aber es funktionierte trotzdem.

Speziell im vierten Satz fanden Dirigent und Orchester zu mitreißendem Elan, Farbkraft und Stimmungsreichtum. Nach einer langen Gedenkpause durfte man dafür dann auch applaudieren. (Stefan Ender, DER STANDARD, 19.11.2013)