Jacques Demy, Filmemacher mit besonderer Vorliebe für Häfen, hat auch in Marseille gedreht: Mathilda May (Mi.) in "Trois places pour le 26".

Foto: Österreichisches Filmmuseum

Wien - Manche Städte wecken die Fantasie in besonderer Weise. Umso mehr, wenn sie sich in exponierter Lage befinden, etwa an der Küste, mit Blick in Richtung auf einen anderen Kontinent und mit einem (einst) starkfrequentierten (Industrie-)Hafen.

Marseille, die diesjährige europäische Kulturhauptstadt, ist so ein Ort, der auch die Filmemacher von jeher beflügelt: Zu (schwarz-weißen) Gangster- und Liebesgeschichten, die in den engen Gassen des alten Viertels spielen oder in den Wohnmaschinen oben am Hügel. Gern inszeniert als eine ein Stück weit offene Zone für randständige Existenzen, als "melting pot", in dem einander Menschen aus unterschiedlichen Kulturen mit unterschiedlichen Absichten begegnen - oder wieder aus den Augen verlieren.

Ein Filmemacher, dessen Werk auf besondere Weise mit Marseille verbunden ist, ist Robert Guédiguian: Er erzählt seit mehreren Jahrzehnten, mal ganz dem Neorealismus verbunden, mal melodramatisch, von der Stadt, ihrer Arbeiterklasse und deren Niedergang - meist in Zusammenarbeit mit einem bewährten Ensemble, das Ariane Ascaride, Gérard Meylan und Jean-Pierre Darroussin anführen.

Im Österreichischen Filmmuseum sind im Rahmen der Reihe Marseille. Eine Stadt im Film einige von Guédiguians stets mitreißenden Arbeiten zu sehen. Darüber hinaus: Jacques Demys knallbunte, musikalische Reminiszenz Trois places pour le 26 (1988, mit Yves Montand), Claire Denis zartbittere Peripherie-Shortcuts Nénette et Boni (1996), John Frankenheimers desparater, psychedelisch versetzter Thriller French Connection II (1975) neben frühen Arbeiten von René Allio oder Jean Renoir. (Isabella Reicher, DER STANDARD, 19.11.2013)