In Österreich sind Erkrankungen des kardiovaskulären Systems für rund 43 Prozent aller Todesfälle verantwortlich. Sie korrelieren stark mit Übergewicht und seinen Folgen. Auf Initiative des Österreichischen Herzfonds führt das Österreichische Akademische Institut für Ernährungsmedizin (ÖAIE) nun erstmals eine standardisierte und evaluierte Studie in mehreren Wiener Schulen durch, um Grundlagen für ein nationales Präventionsprogramm zu schaffen. 

Der Projektname lautet "Effect of sports and diet trainings to prevent obesity and secondary diseases and to influence young children´s lifestyle" - kurz EDDY. Erste Untersuchungen brachten alarmierende Ergebnisse hinsichtlich der körperlichen Fitness und des Ernährungsbewusstseins bei Zehn- bis Zwölfjährigen hervor. "Die Folgen für die Gesundheit des Einzelnen wie auch das Gesundheitssystem können fatal sein", warnte Kurt Widhalm, Präsident des Österreichischen Akademischen Instituts für Ernährungsmedizin (ÖAIE). "Wir brauchen daher dringend gezielte Prävention."

Übergewicht, Vitamin D-Mangel, fehlendes Bewusstsein

Bisher wurden insgesamt 146 Kinder aus vier Wiener Schulen untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass 24 Prozent der Kinder übergewichtig sind. Neun Prozent in Bezug auf die Gesamtgruppe leiden an Adipositas, knapp drei Prozent an extremer Adipositas. Ein Kind brachte bereits 108,92 kg auf die Waage.

Bezüglich Ernährungswissen sind nur 25 Prozent der untersuchten Kinder gut informiert, 10 Prozent extrem mangelhaft. Letztere wissen nicht, dass nicht nur die Essensmenge, sondern auch die Essensqualität Einfluss auf die Gewichtskontrolle hat. 51 Prozent essen weniger als einmal pro Tag Gemüse, 26 Prozent nie.

Die Blutuntersuchungen der Kinder im Rahmen der Studie brachten auch bislang unerkannte, weil symptomlose Anomalien zu Tage: "Die Blutbilder der Kinder zeigen weit verbreitete Eisenmangelzustände, Vitaminunterversorgungen, Anomalien im Fettstoffwechsel und weitere gravierende Auffälligkeiten. Nur durch Routineuntersuchungen bereits im Kindesalter können diese Anomalien rechtzeitig erkannt werden und präventive Maßnahmen für die Betroffenen eingeleitet werden", betont Widhalm.

Folgeerkrankungen belasten Gesundheitssystem massiv

Adipositas im Kindesalter führt zu erhöhten Gesundheitsrisiken. So treten Knorpelschäden, Knochenveränderungen, Asthma, Allergien und Kreislauferkrankungen bei fettleibigen Kindern häufiger auf als bei normalgewichtigen. Als Konsequenz schlechter Ernährung, Übergewicht und Bewegungsmangel droht auch Diabetes Typ 2 – und zwar bereits bei Jugendlichen.

Fast 500.000 Menschen in Österreich leiden aktuell unter Typ 2 Diabetes. Thomas Stulnig, MBA, Leiter der Ambulanz für Fettstoffwechselstörungen und angeborene Stoffwechselstörungen an der Medizinischen Universität Wien, weist auf Spätschäden an Niere, Augen und Nerven sowie ein dramatisch erhöhtes Risiko für Amputationen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen hin.

Forderung nach flächendeckendem Präventionsprogramm

Mit sinnvollen Präventionsmaßnahmen könnten auch enorme Kosten für das Gesundheitswesen vermieden werden, wie auch Thomas Czypionka, Leiter des Forschungsbereichs Gesundheitsökonomie und Gesundheitspolitik am Institut für Höhere Studien (IHS), erläutert: "Die Investition in die Kindergesundheit ist von besonderer Bedeutung. Es können einfache Maßnahmen gesetzt werden, die vergergleichsweise starke kummulierte Effekte über die Lebenszeit haben. Somit ist das Kosten-Nutzenverhältnis sehr günstig."

Das Präventionsprogramm EDDY läuft noch bis Sommer 2014. Die Effekte des umfassenden Programms werden im Vergleich zu Schulen, in denen diese Intervention nicht durchgeführt wird, überprüft. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse sollen als Grundlage für ein nationales standardisiertes Schulprogramm auf Basis einer Gesundheitskampagne (Nutrition and physical activity education program) dienen. Ziel ist die Entwicklung einer Strategie, um – wie von der WHO gefordert – die Zahl der übergewichtigen Kinder nachhaltig zu senken. (red/derStandard.at, 19.11.2013)