Der Choreograf und Künstler Philipp Gehmacher in den Spiegelungen seines Grauraums, in dem Körper, Gesten, Text, Bilder und Fotos miteinander tanzen. 

Foto: philipp gehmacher

Wien - Wenn der Wiener Choreograf Philipp Gehmacher von Grau spricht, dann tut er das keinesfalls im Sinn eines bürgerlichen Farbgeschmacks oder gar der Verbannung eines "Grauschleiers" aus fröhlicher Buntkleidung - im Gegenteil. Gehmachers Grau macht eine hintergründige Bild- und Bewegungswelt auf. Die zeigt er jetzt in seiner Ausstellung my shapes, your words, their grey im Grauraum und einer Soloperformance gleichen Titels im Tanzquartier Wien.

Aus guten Gründen wird Philipp Gehmacher (38) zu den bedeutendsten europäischen Choreografen seiner Generation gezählt: Als einer der ganz wenigen unter diesen hat er zu einer Bewegungssprache gefunden, die mehr ist als die Interpretation, Weiterentwicklung oder Mischung bestehender Tanzformen. Nicht nur dadurch irritiert er die Sehgewohnheiten des Publikums, sondern auch mit einem konsequenten Ausscheren aus dem gewohnten Rahmen von Bühnenstücken.

Bekannt gemacht hatten ihn ab 1998 die Solo- und Gruppenarbeiten einer ersten Werkphase sowie seine Kooperationen mit der Weltklasse-Choreografin Meg Stuart und dem Künstler Vladimir Miller. Ab 2008 bewegte sich Gehmacher mit seinen Walk+Talk-Performances in Richtung Text, dann mit den Installationen dead reckoning (Akademie der bildenden Künste) und at arm's length in Richtung Video. Seine Installation grauraum mit Egon Schiele 2011 im Leopold-Museum machte den Weg frei für my shapes, your words, their grey: eine choreografische Vermessung zwischen Bild, Bewegung und Video.

Mit der nun aktuellen Verbindung zwischen seiner Ausstellungsinstallation und einer Solo-performance gleichen Titels konzentriert sich Gehmacher auf Verbindungen zwischen choreografischer und visueller Arbeit. "Das ist mein Versuch, eine Ausstellung als inhaltliche Partitur für eine Livepräsentation zu verwenden", erläutert der Künstler.

Objekt- und Subjektbezüge

Die Ausstellung ist eine Auseinandersetzung mit zu Tafelbildformaten verarbeiteten Materialien wie Papier, Pappe, Gussharz, Keramik, die mit Philipp Gehmachers Körpersprache in Bezug gesetzt werden. Dieser Bezug wird in drei exemplarischen Videoarbeiten verdeutlicht. Dazu sind Fotografien gesetzt und Textzeichnungen, die der Künstler Sunday Drawings nennt.

Der "Grauraum als Kunstraum, der zwischen White Cube und Black Box existieren kann", ist für ihn ein "Wunschraum für die Zukunft", in dem Objekt- und Subjektbezüge noch einmal neu befragt werden können. Gesetzt ist dieser Wunschraum zwischen so berühmte Auslotungen von Wirkungen der (Nicht-)Farbe Grau wie die von Gerhard Richter und von dem Hard-Edge-Maler Ellsworth Kelly. Dort beginnt Gehmachers künstlerische Investigation: "Was ist das graue Leben, der graue Raum, das graue Sprechen, die graue Bewegung?"

Die Führungen durch die Schau - von Hans Schabus und Anja Manfredi am 21. oder Jack Hauser und Anna Artaker am 23. November, jeweils 17.00 Uhr - gehen für Gehmacher in Richtung einer neuen Art der Zusammenarbeit: "Es kann in Zukunft sein, dass man eine Ausstellung für Menschen macht, die sie durch ihre Führungen aktualisieren. Das wäre dann die eigentliche Performance. Ich habe ja auch keine Lust mehr, ,Stücke' zu machen."

Sorgfältig überlegt sind in der Ausstellung jedes Detail, jede Spiegelung, jede Konstellation der Objekte. In den Soloaufführungen von my shapes, your words, their grey werden sich dann Gehmachers Gesten in Worten spiegeln. (Helmut Ploebst, DER STANDARD, 20.11.2013)