Anwalt Georg Schima ortet eine Entmachtung des VfGH.

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STANDARD: Sie haben die Klage der Notenbank-Pensionisten gegen den gesetzlichen Solidarbeitrag von drei bzw. 3,3 Prozent eingebracht. Jetzt plant die Regierung Einschnitte in Spitzenpensionen, per Verfassungsgesetz. Haben Sie mit diesen Folgen gerechnet?

Schima: Nein. Dieser Schritt der Regierung hängt wahrscheinlich auch damit zusammen, dass sie von anderen Defiziten ablenken will. Unsere Klage hat nur das Ziel, dass der Verfassungsgerichtshof klärt, ob das Zweite Stabilitätsgesetz, mit dem der Solidaritätsbeitrag eingeführt und in Privatverträge eingegriffen wurde, verfassungskonform ist. Die Ausübung dieses Rechts sollte in einem Rechtsstaat niemand skandalisieren.

STANDARD: Jetzt kommt ein Gesetz im Verfassungsrang, damit ist der Verfassungsgerichtshof (VfGH) weitgehend ausgeschaltet.

Schima: Das ist rechtsstaatlich schwerst bedenklich. Wenn das Verfassungsgesetz kommt, beginnt man einen Weg wie in Ungarn einzuschlagen: Dort wird der Verfassungsgerichtshof sukzessive durch Verfassungsgesetze ausgehebelt. Dass man ein Verfassungsgesetz braucht, um - zugegebenermaßen sehr hohe - Pensionen zu verringern, ist ein rechtsstaatliches Armutszeugnis und populistisch. Das ist eine Entmachtung des VfGH.

STANDARD: Wie reagieren Sie?

Schima: Wir müssen jetzt einmal das Gesetz abwarten. Aber es könnte schon europarechtliche Sanktionen geben. Gemäß AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der EU; Anm.) sind die Notenbanken unabhängig, und es gilt das Verbot der Staatsfinanzierung. Der Staat kann sich also nicht durch hoheitliche Maßnahmen, wie eben Gesetze, einfach Geld von der Notenbank holen. Auch nicht, indem er Pensionen kürzt und so die Dividendenbasis erhöht. Es wäre die Frage, ob jemand ein Vertragsverletzungsverfahren beginnt.

STANDARD: Sie argumentieren, die OeNB-Pensionen würden nicht vom Staat finanziert. Müsste die OeNB aber nicht die Pensionsreserve dotieren, die Ende des Vorjahres 1,869 Mrd. Euro betrug, käme das per Dividende dem Staat zugute.

Schima: Mathematisch ist das Argument richtig. Die OeNB erwirtschaftet ja Gewinne, allein in der Ära Adolf Walas, 1988 bis 1998, wurden 7,8 Milliarden Euro Dividenden an den Bund ausgeschüttet. Aber Sie übersehen, dass sich die OeNB, auch im Dienstrecht, mit Geschäftsbanken messen muss und daher nicht den Kollektivvertrag fürs Reinigungspersonal anwenden kann. Die Vorstandspension von Ex-Creditanstalt-Chefs hat schon vor 25 Jahren 300.000 Schilling im Monat ausgemacht.

STANDARD: Die Pension von Ex-OeNB-Chef Wala beträgt fast 32.000 Euro brutto. Ist es im heutigen Umfeld moralisch vertretbar, auf so hohe Pensionen zu beharren?

Schima: Es geht den Notenbankern überhaupt nicht um die Höhe der Abgabe. Es muss in einem Rechtsstaat möglich sein, sich gegen einen gesetzlichen Eingriff in Privatverträge zu wehren. Aber natürlich ist das angesichts der Summen in der Öffentlichkeit schwer zu verkaufen.

STANDARD:   Der korrekte Lösungsweg wären Verhandlungen der OeNB-Belegschaft mit der OeNB?

Schima: Ja. Die Belegschaft ist ja auch verhandlungsbereit. Das Direktorium müsste halt mit dem Betriebsrat verhandeln und mehr Managementkompetenz zeigen.

STANDARD: Der Betriebsrat blockiert seit Jahren; es ist OeNB-Chef Ewald Nowotny nicht einmal möglich, die Freizeitbibliothek abzuschaffen. Bei den Pensionen hat sich Nowotny auf seine Rechtsgutachter berufen, die vor Einschnitten in Einzelverträge gewarnt hätten.

Schima: Ein Betriebsrat ist so stark, wie ihn das Management stark sein lässt. Als Vorstand muss man auch Risiken eingehen, allenfalls auch Klagsrisiken. (Renate Graber, DER STANDARD, 20.11.2013)