Der 21. November ist laut Uno der Tag des Fernsehens. Ein Medium, das es in Zeiten der digitalen Wunderwelten schon einfacher hatte. Herzensangelegenheit bleibt die Flimmerkiste aber trotzdem, für Autorinnen und Autoren des täglichen  TV-Tagebuchs im STANDARD sowieso.

Der internationale Fernsehtag muss gefeiert werden, findet die Redaktion und kürt ihre ganz persönlichen Fernsehfavoriten - von "Sex and the City" und "Piefke-Saga" über"Golden Girls", "Twin Peaks" und "Life On Mars" bis zu "Auch Spaß muss sein", "Black Beauty", "Monaco Franze", "The Walking Dead" und ganz viele andere mehr. Zu sehen ist ein kunterbuntes Kaleidoskop des guten Fernsehens – ja, das gibt es doch: Freunde für immer! Posten auch Sie Ihre persönlichen TV-Helden.

Sex and the City: "Absofuckinglutley!“

Es war Liebe auf den ersten Blick. Die Stadt, die Frauen, die Freiheit. Unverblümt zu artikulieren, was gesagt werden muss, genussvoll zu handeln ohne danach in der Bußkammer zu verschwinden. Mit Episodentiteln wie "Are we Sluts?“ und "They shoot single people, don't they?” hielt eine neue Unbeschwertheit Einzug in meinem Wohnzimmer.

Die Handlung hob den archaischen Jagdtrieb nach der großen Liebe auf ein neues TV-Level, Carrie Bradshaws Reflektionen stellten fernab von Konsum und bunten Treiben wichtige Lebensfragen in den Raum und die frivolen  Protagonisten schenkten uns neue Wörter wie "Absofuckinglutley!" oder "Zsa Zsa Zsu“, die perfekte Intonation für die Schwingungen zwischen Mann und Frau. Entgegen aller popkulturellen Kritiker halte ich es mit der Feministin Naomi Wolf: „Tatsächlich ist SATC das erste globale Frauenepos - die Antwort auf die Frage, die Virgina Woolf in ihrem Essay "Ein Zimmer für mich allein gestellt hat: Was machen Frauen, wenn sie wirklich frei sind." (tara)

Foto: HBO

Twin Peaks: Schauer der grauen Tage

David Lynch, "Twin Peaks" auf Kabel 1 im Herbst 2003. Dann wieder auf Arte, mit dem Reiz des Wiederentdeckens, im Frühjahr 2011. Aber "Twin Peaks" passt am besten, wenn die Temperaturen fallen und die Tage grau werden. Unvergesslich: die abgründigen Charaktere und die surreal unregelmäßige Spur der Handlung. (ploe)

Foto: ABC

Auch Spaß muss sein: Ich schmachtete Buster an

Ich war als kleines Mädchen in Buster Keaton verliebt. Ich liebte Stummfilme, die Gebäude, die umfielen wie Kartenhäuser, die Mode, die so viel schicker war als unsere orangen Polyesterrollis, die Autos, die man anstartete wie alte Kaffeemühlen. Buster war der Hübscheste und der Traurigste.

Schuld an meiner Vorliebe war Herbert Prikopa. Mit "Auch Spaß muss sein" lockte er mich und meinen kleinen Bruder dienstags vor den Schirm. Mein Bruder lachte bei Stan Laurel und Oliver Hardy oft so sehr, dass ich Angst hatte, er würde neben mir ersticken. Ich schmachtete Buster Keaton an. Eigentlich ein unglaubliches Sendungskonzept: Man nimmt uralte Filme, die nie für Kinder gedreht wurden, mischt ein paar Zeichentrickfilme darunter, setzt einen gutbäuchigen Onkel, der sich auch noch "Happi" nennt, dazu - und schon hat man ein "Kinderprogramm". Wir Kinder der 1970er waren schon recht bescheiden. (cms)

Foto: ORF

Life On Mars: Fenster ins frühere Leben

Ein britischer Kriminalist aus dem Jetzt findet sich nach einem Autounfall in einem Präsidium in den 1970ern wieder. Die Ermittlungsmethoden und die soziale Kompetenz der neuen Kollegen muten steinzeitlich an, sein Wissensvorsprung sorgt für Verwirrung und widerwillige Akzeptanz, ein alter Fernseher fungiert als Fenster ins frühere Leben. Eine schöne Metapher für das ganze Medium. (flu)

Foto: BBC

Golden Girls: Freundinnen für immer

Dorothy, Blanche, Rose und Sophia sitzen im Zug. Rose erzählt die Geschichte von diesem mysteriösen Tunnel, in dem Menschen enifach so verschwinden und danach nie wieder auftauchen. Der Zug fährt in den Tunnel ein, es wird stockfinster, und als es hell ist, fehlt Sophia. "Ma!", ruft Dorothy. "Geht's dir gut?" Von nebenan rauscht die Klospülung: "Jetzt schon!", ruft Sophia. Es war zum Zerkugeln.

Wann immer es hart war in meinem Leben als Halbwüchsige (und es war oft sehr, sehr hart!) haben mich die "Golden Girls" gerettet. Blanche Devereaux, Rose Nylund, Dorothy Zbornack und die unwiderstehliche Sophia Petrillo brachten die Sonne ins Mädchenzimmer. Lange vor "Sex and the City" übten sich die vier in Dirty Talk und  frivolen Sprüchen und freizügigem Lebensstil. Wie klug die Ladys waren, merke ich jetzt: Die Alten-WG ist definitiv das Wohmodell der Zukunft. Thank you for being a friend! (prie)

Foto: NBC

Black Beauty: Gigant unter den Pferden

Wenn Tiere sich aus der leidvollen Herrschaft der Menschen befreien, lacht mein Herz. Im Roman "Black Beauty - The Autobiography of a Horse"  hat Anna Sewell (1820-1878) gegen das jammervolle Dasein sogenannter Gebrauchspferde angeschrieben. Die daraus entstandene TV-Serie der 1970er-Jahre war folglich mein Hit. Triumphaler als zu Denis Kings gigantischer Titelmelodie kann sich ein Tier aus seinem Schicksal nicht erheben! Flenn. (afze)

Foto: BBC

Piefke-Saga: Ja dürfen's denn das?

Wer in einem Tourismusgebiet aufgewachsen ist, kennt dieses Schleimen gegenüber dem Gast, speziell dem Deutschen, der vor allem im Winter das Geld bringt. Nicht selten wurden Kinderzimmer geräumt, um in der Hochsaison noch Platz für zahlungswillige Piefke zu schaffen. "Tu schön Grüß Gott sagen" wurde dann den ausquartierten Kindern befohlen. Am besten in Dirndl oder Lederhose. Ja, das gefiel dem Urlauber, alles so schön natürlich hier.

Dann kam Felix Mitterers "Piefke-Saga" und hielt den Tourismusbetrieben und deren Gästen Anfang der 90er-Jahre einen Spiegel vor. Die Verwicklungen der deutschen Sattmanns mit den  Tiroler Hoteliers Wechselberger und der Bauernfamilie Krimbacher sorgten nicht nur für hohe Einschaltquoten sondern vor allem für heftige Empörung am Stammtisch. Was wurde da geschimpft auf den ORF, auf Mitterer.

Die Reaktionen reichten von "Eine Frechheit, die vertreiben uns die Gäste" bis hin zu "Bei uns ist alles ganz anders". Um im nächsten Winter dann doch wieder das Kinderbett im elterlichen Schlafzimmer zu richten und einzustimmen in "Sattmann wir loben Dich, Sattmann wir lieben Dich! Du bringst uns Segen, Du sollst hoch leben! Arbeit und Glück kehren zurück." (ae)

Foto: ORF

The Walking Dead: Waltons neu

Ein Mann wacht aus dem Koma auf und ringsum geht die Welt unter. Eine mysteriöse Krankheit lässt die Menschen zu gefrässigen Zombies werden. Der Rest der Lebenden schließt sich zu faschistischen Milizen oder bis an die Zähne bewaffneten Patchwork-Familien zusammen. Manchmal müssen sich diese aus Gründen des Überlebens auch gegenseitig umbringen. Das gibt den Zombies immer neuen Nachschub.

Die Geschichte um Sheriff Rick Grimes befindet sich nicht nur auf dem neuesten Stand der Zombie-Make-up-Forschung. Das Sittenbild einer untergehenden Zivilisation, die sich aufgrund verknappender (menschlicher) Ressourcen selbst auffrisst, deutet auch die gute alte US-Familienserie im Stile der Waltons zeitgenössisch neu. Man kann auch sagen: "The Walking Dead" ist die grauslichste und unterhaltsamste Sopa-opera, die die Welt je sah. (schach)

Foto: Fox

Die Tagesschau: In Würde wachsen

Keine Liebesbeziehung, mehr eine Vernunftehe, die aber schon sehr lange hält. Wir respektieren einander: Ich schalte regelmäßig ein, mein Gegenüber nimmt mich ernst und verschont mich mit Doppelmoderation, Soft-News oder animierten Studiosets. Ich mag den altmodischen Tonfall der Nachrichtensprecher, die keine Infotainer sein wollen. (irr)

Foto: ARD

Nummer 6: Es gibt kein Entkommen

"Nummer 6" ("The Prisoner") ist die einzige Serie, für die ich sogar zum Drehort, dem kitschig-pittoresken Portmeiron in Wales, gepilgert bin. In der britischen Serie aus den späten 1960ern ist der Schauplatz freilich eine Art Labyrinth auf einer fernen Insel, aus dem es kein Entkommen gibt. Patrick McGoohan versucht es dennoch jede Folge aufs Neue: So schön war Paranoia im Fernsehen nie wieder. (kam)

Foto: ITV
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Monaco Franze: Weil a bissl was immer geht

Helmut Dietls Serie "Monaco Franze" ist zwar schon ein bisschen älter, nämlich gute dreißig Jahre alt, aber von seiner Hauptfigur, dem "ewigen Stenz" und großen Frauenfreund Helmut Fischer kann man Essentielles lernen: "A bissel was" geht folglich immer - aber ohne das eine "Spatzl" geht halt gar nichts. (hein)

Foto: BR

Tatort: Liebe Bekannte

Es gibt immer noch einen Fixtermin: Sonntag, 20 h 15 Tatort. Sowieso sind andere Krimis origineller, natürlich mancher Tatortplot hanebüchen. Aber manche Ermittler (Köln, München, Münster, Berlin) haben den Status von lieben Bekannten. Mit ihnen sind wir älter geworden, sie dürfen gern weiter zu Besuch kommen. Neue, junge Kommissare braucht man eigentlich nicht, sie mögen anderswo ermitteln. (bau)

Foto: ARD

Nachrichten: ersetzen alle Serien

Politik. Interviews. Nachrichten. Sie sind das pralle Leben. Und Fernsehen ist ein Weg,  der Historie beim Wandel  zuzusehen. Wie Vladimír Mečiar als slowakischer Premier abdanken musste, sang er in TV unter Tränen noch ein Liedchen. Als der spätere Präsident Micheil Saakaschwili mit Demonstranten am 22. November 2003 wegen Wahlbetrugs den Sitzungssaal des georgischen Parlaments wild stürmte, war politischer Umbruch in Zeitraffer zu erleben.  Und nicht zu vernachlässigen sind auch entlarvende Selbstdemontagen der Politik. Stronach, ein König in dieser Disziplin, ersetzt da alle Serien. (tos)

 

Screenshot: TVthek

Boardwalk Empire: Kunst des Sehens

Die HBO-Serie "Boardwalk Empire“ lehrt unaufdringlich die Kunst des Sehens. Enoch "Nucky" Thompson (Steve Buscemi) regiert als Alkoholschmuggler die Stadt Atlantic City während der Prohibitionszeit. Politik, so demonstriert es dieser Vorzeige-Liberale, ist nichts anderes als die Fortsetzung des Geschäftes mit anderen Mitteln. Wer "böse“ sein will, muss vor allem kaltes Blut bewahren, Umsicht üben und Voraussicht bewähren.

Niemand jenseits der Wiener Erste-Mai-Feiern trägt die rote Nelke formbewusster im Knopfloch als "Nucky" Thompson alias Buscemi, eine Bestie der Pragmatik. Ein Fest für Geist und Auge, auf derselben Höhe wie einst die "Sopranos". (poh)  

Foto: HBO