Wien - Geht es nach dem Wissenschaftsrat muss das "alte Kuriendenken", also Professoren versus Mittelbau, von den Universitäten verschwinden. "Wenn wir verhindern wollen, dass der wissenschaftlichen Nachwuchs ins Ausland geht, müssen wir ihm Karrierewege bieten", so der Physiker Rainer Blatt am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Wien. Lösung wäre ein Tenure Track-System nach internationalem Vorbild.

Zwar wurde mit dem neuen Kollektivvertrag Ende 2009 ein Karrieremodell eingeführt, das als Tenure Track bezeichnet wird: Man kann sich auf eine Post-Doc-Stelle als "Assistant Professor" bewerben und wird, wenn man die mit der Uni vereinbarte Qualifikationsvereinbarung erfüllt, automatisch "Associate Professor". Für eine Stelle als "Universitätsprofessor" muss man sich aber einem Berufungsverfahren stellen. Aus Blatts Sicht ist dieser Karriereweg "nicht international kompetitiv".

Adaptierung des Universitätsgesetz notwendig

"Das ist nicht das internationale Tenure Track-Modell", bemängelt der Salzburger Jurist Walter Berka, stellvertretender Vorsitzender des Beratungsgremiums von Wissenschaftsministerium und Parlament. Der Wissenschaftsrat will, dass - wie international üblich - schon am Beginn der Laufbahn ein Berufungsverfahren steht und dafür die Hürde zum "Universitätsprofessor" wegfällt. Dafür nötig wäre laut Berka nur eine Adaptierung des Universitätsgesetzes (UG) 2002.

An der Uni Innsbruck gibt es bereits zwei solche "echten" Tenure-Track-Posten mit Berufungsverfahren schon vor der ersten Karrierestufe, die in Zusammenarbeit mit der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) eingerichtet wurden. Einen solchen Posten hat Experimentalphysiker Gerhard Kirchmair inne, der vor allem die Möglichkeit hervorhob, eine Gruppe aufzubauen und eigenständig zu forschen.

Qualität und Unabhängigkeit des Unirats stärken

Mit einer Reform des wissenschaftlichen Karrieremodells allein könne man die Abwanderung exzellenter Jungwissenschafter freilich nicht verhindern, betonte der Innsbrucker Quantenphysiker Blatt. "Ob man jemanden für lange Zeit halten kann, ist abhängig von der Gesamtsituation." Und diese sei geprägt von einer chronischen Unterfinanzierung der Unis, jedes Jahr würden mehrere 100 Mio. Euro benötigt, allein um den erforderlichen Standard zu halten.

Der Wissenschaftsrat hat neben der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses noch weitere Schwachstellen des seit fast zehn Jahren implementierten UG 2002 ausgemacht - auch wenn es sich insgesamt bewährt und die Unis trotz Unterfinanzierung "leistungsfähiger und internationaler" gemacht habe, wie Berka betont. Fortentwicklungsbedarf sieht Berka auch bei den Governance-Strukturen.

Zwar habe sich die Dreiteilung in Rektorat, Senat und Universitätsrat als Aufsichtsgremium und strategisches Führungsorgan prinzipiell bewährt. Allerdings fehle es etwa einigen Unirat-Mitgliedern an Zeit und Sachkunde für ihre Funktion, durch die Bestellung eines Teils der Mitglieder durch die Regierung gebe es zudem politischen Einfluss. Berka wünscht sich ein Recht auf Selbstergänzung des Rats: Senat und Regierung sollen künftig aus einem Zweier-Vorschlag des Rats neue Mitglieder wählen, damit soll Qualität und Unabhängigkeit des Gremiums gestärkt werden.

Der Senat soll wiederum aus Sicht des Wissenschaftsrats künftig zum zentralen Beratungsorgan des Rektorats in strategischen Fragen werden und damit die Uni-Angehörigen mehr Mitsprachemöglichkeiten erhalten. Gleichzeitig soll er im operativen Geschäft entlastet werden: Künftig soll ein Fakultäts- oder Departement-Rat eingerichtet werden, der anstelle der Senate Studienpläne verabschiedet und Habilitations- und Berufungskommissionen einsetzt. (APA, 20.11.2013)