Die meisten EU-Staaten treten geltendes EU-Recht mit Füßen. "Die Gleichheit von Frauen und Männern ist in allen Bereichen ... sicherzustellen" , heißt es unmissverständlich in Artikel 23 der EU-Grundrechtecharta. In der Arbeitswelt, vor allem in den Chefetagen, ist von dieser Gleichheit allerdings nichts zu sehen.

In den Geschäftsführungen der größten 200 heimischen Unternehmen liegt der Frauenanteil derzeit bei 5,6 Prozent. Die zehn größten Konzerne werden sogar ausschließlich von Männern geführt. In den Aufsichtsräten ist der Testosteronlevel nicht viel niedriger. In Österreich sind aktuell 13,5 Prozent der Kontrolleure weiblich, im EU-Schnitt sind es laut Arbeiterkammer lächerliche 17 Prozent.

Die Erklärung dafür ist einfach und hinlänglich erforscht. Männer in Machtpositionen neigen dazu, ihre Geschlechtsgenossen zu bevorzugen. Die Unterrepräsentanz von Frauen hat also nichts mit mangelnder Qualifikation oder fehlendem Arbeitseifer zu tun, sondern ist primär auf bestehende Männernetzwerke zurückzuführen.

Alle Versuche, den Frauenanteil mit freiwilligen Modellen auf ein nur annähernd akzeptables Niveau zu heben, sind bisher grandios gescheitert. Daher führt kein Weg an echten Quotenregelungen vorbei. Der Wischiwaschi-Kompromiss, den das EU-Parlament beschlossen hat, kann nur ein erster Schritt gewesen sein. Es ist traurig, wenn man gewählte Mandatare an die EU-Verträge erinnern muss. (Günther Oswald, DER STANDARD, 21.11.2013)