Bild nicht mehr verfügbar.

Klimakonferenzen dieser Welt haben oft gemein: Wenig Dynamik in den Verhandlungsräumen, mehr Turbulenzen auf den Straßen.

Foto: Reuters

Warschau - Die Klimakonferenz in Warschau wird offenbar immer mehr zum Desaster. "Keine Ambition, kein Geld, keine ernsthaften Verhandlungen" - mit diesen Worten haben am Donnerstag hunderte Mitglieder von Umweltschutzorganisationen den Tagungsort unter Protest verlassen. "Hier wird der Klimawandel nicht einmal ignoriert. Genug ist genug", zürnte Johannes Wahlmüller von Global 2000.

In einem gemeinsamen "Walk Out" werden Vertreter von Friends of the Earth International, Greenpeace, WWF, Oxfam und vieler anderer Organisationen die Klimakonferenz verlassen. "Die Erwartungen an die Klimaverhandlungen waren zwar gering, aber hier wird nicht ernsthaft verhandelt. Diese Klimakonferenz ist eine Farce und ein Schlag ins Gesicht all jener, die sich glaubwürdig um ein stabiles Klima und eine lebenswerte Umwelt für uns und die nächsten Generationen bemühen", so Wahlmüller.

Betreffend der entscheidenden Frage der Erhöhung der Ambition vor 2020 sei das einzige Ergebnis jenes, dass Japan seine Ziele verringert. "Wie zum Hohn findet sich im Text dann die 'dringende Aufforderung' an alle Staaten, ihre Ziele zu erhöhen. Viele Staaten wollen darüber aber erst gar nicht reden und auch die EU bleibt bei ihrem niedrigen Ziel, bis 2020 die Treibhausgasemissionen um 20 Prozent zu senken, obwohl es nicht mehr viel bedeutet, da mit 2012 bereits eine Reduktion um 18 Prozent verzeichnet wird - Jahre der Untätigkeit zeigen keine Vorreiterrolle. Niemand redet ernsthaft über angemessene Klimaziele, vor allem die Industriestaaten, die bereits in Kopenhagen den Lead übernehmen sollten, lassen hier völlig aus", erklärte der Klima- und Energiesprecher von Global 2000.

Groteske Züge laut NGOs

Die Klimakonferenz selbst hat laut Wahlmüller immer groteskere Züge angenommen: "Nicht genug, dass die Stahlindustrie, Hersteller von Atomkraftwerken und Fluggesellschaften hier als offizielle Sponsoren auftreten und die Kohleindustrie eine Parallelkonferenz veranstaltete, bei der Christina Figueres als offizielle Vertreterin der UN eine Rede hielt, wurde wenige Tage vor dem Ende der Klimakonferenz auch noch der polnische Umweltminister entlassen und damit der Vorsitzende der Klimakonferenz quasi auf den Status eines Privatmanns herabgestuft." Nachsatz: "Während Millionen Menschen zu Klimaflüchtlingen zu werden drohen."

Schon am Tag davor ging es ziemlich turbulent zu: Polens Ministerpräsident Donald Tusk am Mittwoch seinen Umweltminister entlassen. Der Gastgeber des UN-Treffens, Marcin Korolec, wurde im Zuge einer Kabinettsumbildung abgelöst. Umweltgruppen werteten dies als Beweis dafür, dass Regierungschef Tusk weder die Konferenz noch den Klimaschutz ernst nehme. Das Land, das seinen Strom zu 90 Prozent aus klimaschädlicher Steinkohle produziert, gilt auch in der EU als Bremser im Kampf gegen die Erderwärmung. Kritik zog bereits das Treffen des Welt-Kohleverbandes auf sich, das parallel zur Klimakonferenz in Polen stattfindet. Vor dem Hintergrund geringer Fortschritte in den Verhandlungen appellierte der deutsche Bundesumweltminister Peter Altmaier in Warschau an die Staaten, den Weg für einen Klimavertrag bis 2015 zu ebnen.

Vor diesem Hintergrund kritisierte die Umweltorganisation Greenpeace die Ablösung von Korolec. Es mache einen sprachlos, dass die Entlassung noch damit begründet werde, dass das sogenannte Fracking in Polen beschleunigt eingesetzt werden solle, sagte Maciej Muska von Greenpeace Polen. Korolec galt als Bremser beim Einsatz der umstrittenen Gas-Fördermethode. Er wird durch den früheren stellvertretenden Finanzminister ersetzt, der für Steuerfragen rund um Fracking zuletzt zuständig war. Korolec soll die Konferenz allerdings in dieser Woche noch zu Ende führen.

Streit um Hilfe für die Armen

Laut Nachrichtenmagazin "Spiegel" wiederum ist der Streit darum, wie die Industriestaaten den vom Klimawandel besonders betroffenen armen Ländern helfen, zum explosivsten Thema in Warschau geworden. Ein kräftiger Schwenk: Bei den bisherigen 18 Treffen standen zunächst die Senkung der Treibhausgasemissionen im Mittelpunkt, danach ging es verstärkt auch um die Anpassung an die Folgen der Erwärmung. "Wir können aber nicht mehr alles mit der Senkung des Treibhausgasausstoßes und der Anpassung lösen", sagt Sven Harmeling von der Hilfsorganisation Care International zum Nachrichtenmagazin: "Wir haben die dritte Ära des Klimawandels erreicht." Einen Eklat gab es auch hier: Lange hatten die Delegierten bei der Uno-Klimakonferenz in Warschau darüber verhandelt, wie man ärmere Länder für die Folgeschäden der globalen Erwärmung entschädigen könnte. Dann verließen die Vertreter Chinas und der Entwicklungs- und Schwellenländer (G77) das Treffen, so der Spiegel.

Die Entwicklungsländer scheinen nach 20 Jahren weitgehend ergebnisloser Klimaverhandlungen zu dem Schluss gekommen zu sein, dass Erfolge bei der Senkung der Treibhausgasemissionen für viele Staaten zu spät kommen werden, mutmaßt der Autor.

Die Konferenz in Warschau gilt als wichtiges Vorbereitungstreffen, um 2015 wie angepeilt einen Weltklimavertrag vereinbaren zu können. Dieser soll dann 2020 in Kraft treten. In dem Abkommen soll sichergestellt werden, dass die Welt sich nicht mehr als zwei Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit erwärmt. Dann gelten die Folgen als gerade noch beherrschbar. Eine am Mittwoch veröffentlichte Studie von Wissenschaftlern unter Beteiligung des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) zeigt, dass die gemachten Zusicherungen zur Kürzung des Treibhausgas-Ausstoßes dafür nicht ausreichen. Die Temperatur werde so um 3,7 Grad steigen.

Angst vor dem Versagen

EU-Klimakommissarin Connie Heedegard hat angesichts der schleppenden Verhandlungen gewarnt, hinter die Ziele der Konferenz von Durban im Jahr 2011 zurückzufallen. Damals war beschlossen worden, bis 2015 einen weltweiten Klimavertrag zu vereinbaren, bei dem alle Länder bestimmte Klimaschutzziele bekommen. Was die Finanzen angeht, zeigte sich Heedegard am Mittwoch in Warschau allerdings zuversichtlich. "Das ist ein Feld, wo wir wirklich Fortschritte sehen", sagte sie.

Ein Erfolg der Klimaverhandlungen liegt allerdings in erster Linie an den beiden größten Treibhausgas-Produzenten China und den USA. Beide weigern sich bislang, ein weltweit bindendes Abkommen zu unterzeichnen. (Reuters/red, derStandard.at, 21.11.2013)