Drei komplett weiß gestrichene Markstände stechen auf dem Meidlinger Markt im zwölften Wiener Gemeindebezirk seit Mitte Oktober ins Auge. Was aussieht wie Modellhäuschen aus Karton, sind drei abbruchreife Stände. Im Rahmen des Kunstprojekts "paint back!" werden diese im Frühjahr 2014 vollflächig in kräftigen Farben bemalt.


Die Stände auf dem Meidlinger Markt nach der Bemalung mit weißer Farbe.

Rund vier Wochen später werden sie dann abgerissen und durch neue ersetzt. Initiiert wurde die Aktion vom Wiener Künstler Markus Tripolt. Er will Gebäuden, die abgerissen werden, vor ihrem endgültigen Verschwinden zu einer letzten großen Performance verhelfen. An der Bemalung nehmen auch rund 20 arbeitssuchende Jugendliche aus dem AMS-Projekt "Spacelab" und vom Verein "Rettet das Kind" teil.

Sichtbarmachung von Veränderungsprozessen

Generell wolle er mit "paint back!" die Veränderungs- und Verwandlungsprozesse im Stadtbild sichtbar machen und die Kunst dorthin bringen, "wo sie hingehört und herkommt – zu den Leuten in den öffentlichen Raum", sagt Tripolt. Dieser sei den Menschen in den vergangenen 15 Jahren hinter ihrem Rücken und vor ihren Augen gestohlen worden.

Damit meint Tripolt die zunehmende Kommerzialisierung. "Der öffentliche Raum ist heute eine einzige Konsumaufforderung. Wer nicht mitspielen kann, wird unsichtbar." Seine Aktion ist somit auch eine Aufforderung, den öffentlichen Raum zurückzuerobern.


Die Jugendlichen mit Markus Tripolt (ganz rechts) auf dem Meidlinger Markt.

Kunsttankstelle im dreizehnten Bezirk

Die Einfärbung der Marktstände auf dem Meidlinger Markt ist bereits die zweite "paint back!"-Kunstaktion. Das Pilotprojekt wurde im Juni im 13. Wiener Gemeindebezirk umgesetzt. Damals wurde eine Tankstelle ebenfalls zunächst weiß und danach mit bunter Farbe bemalt. Nach sechs Wochen Buntheit wurde die Tankstelle Anfang August abgerissen. Bei diesem Projekt arbeitete Tripolt mit sieben Jugendlichen zusammen.


Die bunt bemalte Tankstelle im dreizehnten Bezirk.

Die Kunsttankstelle habe im Grätzel viele Reaktionen hervorgerufen. "Da waren auch negative Kommentare dabei. Im Laufe der Zeit wurden die Rückmeldungen aber immer positiver", erzählt Tripolt. Die Neugier der Bevölkerung, was die Aktion denn überhaupt soll, habe außerdem das Selbstbewusstsein der Jugendlichen gestärkt. "Viele wurden zum ersten Mal in ihrem Leben etwas gefragt", sagt Tripolt. 80 Prozent der Teilnehmer haben nach der Aktion den Wunsch geäußert, Maler und Anstreicher werden zu wollen.

Geschichte im Kopf

Für das Konzept von "paint back!" kommen nur Gebäude infrage, die in nächster Zeit abgerissen werden. "Was übrigbleiben soll, ist eine Geschichte im Kopf", sagt Tripolt. Wenn die bunten Gebäude stehen bleiben würden, gewöhnen sich die Menschen daran. Somit seien sie im Laufe der Zeit auch nicht mehr sichtbar.


Imagevideo über "paint back!".

Als Nächstes soll das Projekt an einer zum Abriss vorgesehenen öffentlichen Toilettenanlage am Währinger Gürtel im 18. Bezirk fortgesetzt werden. Finanziert wird das Programm ausschließlich von Sponsorengeldern. Auch die Wiener Volkshochschulen planen gemeinsam mit dem AMS und dem Waff (Wiener Arbeitnehmerinnen Förderungsfonds) "paint back!" in ihr Programm für Erwachsenenbildung aufzunehmen, der Initiator ist selbst auch Erwachsenentrainer.

Ein Sessel als Zeichen für Menschenrechte

Ein anderes farbiges Projekt, das Tripolt initiiert hat, nennt sich "Coloured Chairs". Dabei sollen Menschen einen Sessel nach ihrem Belieben individuell gestalten. Dieser soll der eigenen Persönlichkeit entsprechen, erklärt er.


Ein Sessel als Symbol für das Recht auf Mitsprache.

Am 8. Dezember, zwei Tage vor dem Internationalen Tag der Menschenrechte, sollen diese Sessel dann in den öffentlichen Raum hinausgetragen und damit ein Zeichen für Menschenrechte für alle gesetzt werden. Die Symbolik dahinter: "Einen Sitz haben, bedeutet, eine Stimme zu haben." Der genaue Treffpunkt wird noch bekanntgegeben.

Ziel sei es laut Tripolt, dass sich sowohl "paint back!" als auch "Coloured Chairs" international etablieren. "Beides sind Open-Source-Programme. Die Konzepte sind lizenzfrei und sollen in der Welt verbreitet werden", sagt Tripolt. (Elisabeth Mittendorfer, derStandard.at, 22.11.2103)