Wien - Das am Dienstag im Ministerrat beschlossene neue Lehrerdienstrecht garantiert nicht die für den modernen Schulalltag nötige Flexibilität beim Einsatz von Pädagogen, kritisieren die Bildungswissenschafter Stefan Hopmann und Ferdinand Eder sowie die Bildungspsychologin Christiane Spiel. Sie fordern ein Ende des Stundenzählens.

Aus pädagogischer Sicht bringt das neue Dienstrecht für Hopmann "genau nichts". Eine echte Reform der Personalstruktur sei nämlich ausgeblieben, Lehrerarbeit würde weiter an der Zahl der Unterrichtsstunden bemessen. Man könne aber den modernen Schulalltag mit Projektarbeit und einer Verschränkung von Freizeit und Unterricht so nicht mehr abbilden.

Hopmann: Lehrer entlasten

Stattdessen solle der jeweilige Schulleiter entscheiden, wie die verschiedenen Aufgaben fair unter den Lehrern verteilt werden können. Außerdem müsse es möglich sein, Arbeit etwa an pädagogische, technische und administrative Assistenten abzugeben. In anderen Ländern würden bis zu 30 Prozent der Arbeit an Schulen nicht von Lehrern erledigt. Das wäre aus Hopmanns Sicht gleichzeitig die Lösung für die "hohen Personalkosten, die in Österreich das Bildungsbudget erwürgen". Gerade dieses Problem wird laut Hopmann durch den Regierungsentwurf aber nicht gelöst, da das Budget erst in zehn bis 15 Jahren entlastet werde, und auch das nur dann, wenn Lehrer lange im System bleiben - was sie im Europaschnitt aber immer seltener tun.

Flexibilisierung erschwert

Aus Sicht der Wiener Bildungspsychologin Christiane Spiel beinhaltet die geplante Reform viele positive Elemente wie höhere Einstiegsgehälter oder die Betrachtung aller Lehrer als eine Profession. Als Problem sieht jedoch auch sie, dass wieder die Unterrichtsverpflichtung der Lehrer im Zentrum steht: "Das wird der neuen PädagogInnenbildung und dem Ziel einer höheren Schulautonomie nicht gerecht." Ein flexibler Einsatz der Pädagogen werde durch die Fixierung der Unterrichtsstunden erschwert. Die Fokussierung auf den Unterricht steht für Spiel auch im Widerspruch zur - parallel zur Dienstrechtsreform entstandenen - neuen Lehrerausbildung: In dieser werde unter pädagogischer Arbeit weit mehr als nur der Unterricht selbst verstanden - etwa Elterngespräche, Vorbereitungen im Team oder Schulentwicklung.

Spiel für Jahresarbeitszeitmodell

Spiel plädiert deshalb für ein Jahresarbeitszeitmodell, wie es derzeit die Pflichtschullehrer haben, statt einer Vorgabe von Wochenstunden. "Das könnte zeigen, wie viele wichtige Aufgaben Lehrer auch außerhalb des Klassenzimmers wahrnehmen und zu mehr Verständnis für ihre Arbeit in der Öffentlichkeit führen", sagt Spiel. Das neue Dienstrecht solle außerdem sicherstellen, dass künftig alle Lehrer einen Masterabschluss machen müssen. Im Regierungsentwurf ist derzeit vorgesehen, dass Lehrer, die innerhalb von fünf Jahren den Master nicht abschließen, nur gekündigt werden können, aber nicht gekündigt werden müssen.

Eder: "Militärisches Anordnen weitergeschrieben"

Der Salzburger Erziehungswissenschafter Eder sieht wegen der Fortschreibung des alten Systems des Stundenzählens in der Regierungsvorlage "keinen großen qualitativen Fortschritt". "Damit wird im Grunde auch das militärische Anordnen einer Stunde nach der anderen weitergeschrieben", bemängelt er. Dabei werde außerdem von einer alten Auffassung der Lehrertätigkeit ausgegangen. Zudem bedeuten die bis zu sieben Stunden zusätzlicher Unterricht für ihn nicht, wie von der Regierung behauptet, dass Lehrer mehr Zeit mit Schülern verbringen. Er selbst würde sich eine Anwesenheitsverpflichtung von etwa 30 Wochenstunden wünschen - immerhin entwickle sich Schule immer mehr von einem Lern- zu einem Aufenthaltsort.

Dringenden Änderungsbedarf sieht auch Eder beim Unterricht durch Bachelorabsolventen. Er fordert eine geringere Unterrichtsverpflichtung für Junglehrer, damit sie Zeit für eine qualitativ hochwertige Masterarbeit finden. Wer das aber innerhalb von fünf Jahren nicht zustande bringe, soll nicht mehr unterrichten dürfen. (APA, 21.11.2013)