Eine neue, vor wenigen Tagen präsentierte Studie des Wiener Ludwig Boltzmann Instituts für Menschenrechte und des Wiener Vereins für Flüchtlings-Traumatherapie Hemayat* wirft einen ernüchternden Blick auf den Umgang der Asylbehörden mit jenen Menschen, die Folter oder schwere Gewalt erlebt haben, bevor sie nach Österreich gekommen sind. Ihr Anteil unter den Asylwerbern wird auf zwischen fünf und 35 Prozent geschätzt, wobei Flüchtlinge aus Ländern, in denen politische Konflikte besonders grausam ausgetragen werden – Tschetschenien etwa oder Afghanistan – noch weit häufiger traumatisiert sind: Nach – um klarzustellen, dass es sich hierbei nicht um bloße Befindlichkeitsstörungen handelt - Entführungen, wochenlanger Gefangenschaft in Erdlöchern oder Folterkellern, wo sie, zum Beispiel, Scheinhinrichtungen und/oder Misshandlungen durch Stromstöße ausgesetzt waren sowie vielfach massiver sexuellen Übergriffen – Männer wie Frauen.
Mit diesen Menschen wird am Bundesasylamt und beim Asylgerichtshof vielfach nur wenig rücksichtsvoll umgegangen, ergab die hermeneutische, das heißt auslegungsorientierte Untersuchung; sie basiert auf den Asylakten, den Unterlagen von Rechtsvertretern sowie den Psychotherapie-Dokumentationen von 14 Einzelfällen. Der Mangel an Empathie hat unter anderem mit den Asyl-Verfahrensregeln zu tun, die darauf basieren, dass Asylwerber die erlittenen Verfolgungshandlungen glaubhaft machen müssen: Sie sollen sie möglichst detailliert und widerspruchsfrei schildern, was bedeutet, dass sie sie immer und immer wieder erzählen müssen. Denn Zeugen, um die Schilderungen zu bestätigen, gibt es meistens nicht.
Strache: "Zauberwort Traumatisierung"
Diese aus den Verfahrensregeln sich ergebenden Notwendigkeiten überfordern die Traumatisierten vielfach, denn es ist das Wesen eines Traumas, dass das Erlebte die Psyche des Betroffenen in einem Ausmaß überschwemmt hat, dass er oder sie versucht, die Erinnerung daran zu verdrängen: ein bei Psychologen. Psychotherapeuten und Psychiatern zweifelsfrei anerkannter Umstand, der in der politischen Diskussion über den Umgang mit traumatisierten Flüchtlingen aber vielfach verunglimpft oder als bloße Ausrede bezeichnet wurde. Etwa von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, der 2005, als die massiven Verschärfungen vorbereitet wurden, die dann mit dem Asylgesetz 2006 kamen, von einem "Zauberwort Traumatisierung" sprach, weil es damals noch eine gesetzliche Regelung gab, die Folteropfer und andere traumatisierte Asylwerber von Rückschiebungen innerhalb Europas laut der Dublin II-Verordnung ausnahm. Mit der Novelle 2006 wurde diese Erleichterung ersatzlos abgeschafft.
Oft, so zeigt die Studie, sind es aber auch die Referenten oder Richter persönlich, die den Traumatisierten wenig verständnisvoll gegenübertreten. Sie übersehen Zeichen psychischer Überforderung oder blocken gegen die Brutalität in den Schilderungen ab: Zum Schaden der Asylwerber, denen sie dann oftmals die Glaubhaftigkeit aberkennen und das Asyl verweigern. So etwa im in der Studie vorkommenden Fall einer Tschetschenin, die in der Heimat von ihren Folterern vergewaltigt worden war, was für sie als verheiratete Frau als besondere Schande gilt: Vor der Asylrichterin versuchte sie das Geschehen herunterzuspielen, es zu verharmlosen – obwohl sie in der Therapie ausführlich darüber gesprochen hatte.
Resultat: Sie bekam kein Asyl – in diesem Fall offensichtlich eine Fehlentscheidung.
Was tun, um solche asylrechtlichen "Pannen" in Zukunft zu vermeiden? Wie könnte der Umgang mit traumatisierten Asylwerbern professionalisiert und verbessert werden? Bei einer Podiumsdiskussion anlässlich der Studienvorstellung, dem Human Right Talk der Forschungsplattform Human Rights in the European Context an der Universität Wien, kamen diesbezüglich die Experten auf eine bereits andiskutierte Idee zurück. Traumatisierte Flüchtlinge, so sagten sie, bräuchten im Asylverfahren zusätzliche Unterstützung – Hilfe, wie sie in Österreich anderen Opfern von Gewalt, gefährlicher Drohung oder sexueller Misshandlung in Strafverfahren zukommt.
Helfer im Verfahren
Konkret: Auch traumatisierte Asylwerber sollten das Recht auf eine Prozessbegleitung bekommen. Auf eine Person, die sie durch das Verfahren lotst, die sie über Ablauf und prozessuale Notwendigkeiten genau informiert, die zu den Einvernahmen mitkommt und sich gegebenenfalls weitere professionelle Hilfe holt. Dem österreichischen Rechtssystem würde das voll und ganz entsprechen, denn Folterbetroffene sind Opfer eines Verbrechens, so wie Opfer von Straftaten auch. Und es wäre den betroffenen Flüchtlingen, eine große Hilfe – das zeigt besagte Studie. Die Idee liegt nunmehr auf dem Tisch, Frage ist, ob daraus auch ein Vorhaben werden kann. (Irene Brickner, derStandard.at, 21.11.2013)