Eine Auswahl der heuer am Berg Dülük Baba Tepesi gefundenen Siegel und Amulette

Foto: Forschungsstelle Asia Minor

Münster - Einen ungewöhnlich großen Siegel-Fund haben deutsche Archäologen in der Türkei entdeckt. Insgesamt fanden sie mehr als 600 Stempelsiegel, Rollsiegel und Amulette im Heiligtum des Sturm- und Wettergottes Iuppiter Dolichenus am Berg Dülük Baba Tepesi, 100 davon allein heuer. Der Fund nahe der antiken Stadt Doliche im Südosten der Türkei stammt aus dem 7. bis 4. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung. Das gaben Grabungsleiter Engelbert Winter von der Universität Münster und Archäologe Michael Blömer zum Ende der Grabungssaison bekannt.

Bedeutung für die Verehrung

"Die erstaunlich hohe Anzahl belegt, wie wichtig Siegel und Amulette für die Verehrung des Gottes waren, dem sie als Votivgaben geweiht wurden", sagte Winter. Die Stempel- und Rollsiegel sowie Skarabäen sind aus Glas, Stein und Quarzkeramik gefertigt und oft hochwertig verarbeitet. Viele zeigen Anbetungsszenen, aber auch geometrische Ornamente, Astralsymbole und aufwändige Tier- und Menschendarstellungen. "Auch die Bilder, die nicht eine Gottheit darstellen, drücken eine starke persönliche Frömmigkeit aus: Mit ihren Siegeln weihten die Menschen ihrem Gott ein Objekt, das eng mit der eigenen Identität verbunden war", so Blömer.

Identifizieren konnten die Forscher bislang spätbabylonische, lokale syrische, achämenidische und levantinische Siegel. Die Amulette wurden von den Menschen im Alltag getragen: "Auf Ketten aufgezogen sollten sie Unglück abwehren", sagte der Archäologe. Von den Fundstücken erhoffen sich die Wissenschafter "neue Impulse, um offene Fragen der Kultpraxis, Kultkontinuität und Kultverbreitung zu beantworten". Nach Restaurierungsarbeiten wurden die Funde an das zuständige Museum im türkischen Gaziantep übergeben.

Hintergrund: Grabungen nahe Doliche

Seit 2001 gräbt die Forschungsstelle Asia Minor der Universität Münster mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Hauptheiligtum des Iuppiter Dolichenus, der im 2. Jahrhundert zu einer der bedeutendsten Gottheiten des Römischen Reiches wurde. Heuer erstreckten sich die Grabungen auf dem Berg Dülük Baba Tepesi über eine Fläche von mehr als 500 Quadratmetern.

"Die lange Geschichte dieses heiligen Ortes erstreckt sich vom frühen Kultplatz der Eisenzeit zum reichsweit bekannten Heiligtum der römischen Epoche bis zur langen Zeit der Nutzung als christliches Kloster, das bis in die Kreuzfahrerzeit existierte", sagte Altertumswissenschafter Winter. Mit den Neufunden wie Säulen oder Kapitellen der römischen Epoche könne nun der Haupttempel des kaiserzeitlichen Heiligtums rekonstruiert werden; der Standort des Tempels gebe aber noch Rätsel auf. (red, derStandard.at, 23.11.2013)