Wer in den letzten beiden Wochen die TV-Dokumentationen über den Mord an John F. Kennedy am 22. November 1963 verfolgte, musste annehmen, der US-Präsident habe auch die Tage, nicht nur Nächte in verschiedenen Betten mit unzähligen Frauen verbracht. In den Pausen wurde sein Rückenleiden behandelt, für das "Oval Office", die Staatskanzlei, blieb ihm nur wenig Zeit.

Faktum ist: Kennedy war ein halber Krüppel, die Nebenwirkungen von Medikamenten haben sein Lustpotenzial verstärkt. Und, das musste FBI und CIA gleichermaßen auf die Bühne rufen, er entwickelte eine Neigung für brisante Affären. Die mit Marilyn Monroe war die bekannteste, die mit der Freundin eines Mafia-Bosses die gefährlichste. Die mit einer Dame aus der DDR die verdächtigste. Denn im antikommunistischen Klima Washingtons musste die provokante Art des Präsidenten, nahezu alle Schutzmaßnahmen zu boykottieren, zur hochpolitischen Gewissheit führen: John F. Kennedy ist ein Sicherheitsrisiko für die USA. Noch dazu, weil seine Wiederwahl im November 1964 faktisch feststand.

Bis heute ist nur offiziell, nicht aber schlüssig bewiesen, ob es auch einen zweiten Täter gab. Für diese Variante sind in den letzten Jahren zahlreiche gut belegte Indizien aufgetaucht. Für die jeweiligen Hauptthesen, hier der verbohrte Einzeltäter Lee Harvey Oswald, dort das sorgsam und aufwändig geplante Komplott, legen sich zwei Bücher ins Zeug.

Die Scheiben klirren

Killing Kennedy, das Buch des Journalisten Bill O'Reilly vom republikanisch orientierten TV-Sender Fox News folgt dem offiziellen Untersuchungsbericht der Warren-Kommission und kleidet das Geschehen in die Sprache eines Action-Krimis: "Oswald atmet aus und drückt sanft den Abzug. Selbst als der Kolben beim Rückstoß hart gegen seine Schulter schlägt, zieht er ruhig den Bolzen zurück, um eine neue Patrone zu laden ... er feuert erneut. Der Knall des zweiten Schusses ist so laut, dass Brocken vom Verputz der Decke herunterfallen und die Fensterscheiben klirren." Auf der ganzen Welt lässt der historische Mord die Scheiben klirren. Nichts ist mehr so wie zuvor. Eines dieser Gegenbücher hat der ehemalige taz-Journalist Mathias Bröckers geschrieben, der 2011 über verborgene Täterschaften rund um 9/11 einen Thesenbericht vorgelegt hat. Er kann zwar wie viele vor ihm (Oliver Stone mit JFK 1991) keine Urheber eines geplanten Attentats mit einem zweiten Täter nennen. Aber dass vom Grassy-Knoll-Hügel und nicht aus dem Lagerhaus der tödliche Schuss abgegeben wurde, scheint festzustehen. Die Fälschung des Autopsieberichts, die Manipulation von Aufnahmen weisen in Richtung Komplott. Es macht Sinn, beide Bücher hintereinander zu lesen. (Gerfried Sperl/DER STANDARD, 23.11.2013)